Zahl der Insolvenzgerichte verringern, gerade jetzt?

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Vor wenigen Monaten, mitten in der Corona-Krise, hat der Bayerische Oberste Rechnungshof in seinem Jahresbericht empfohlen, die Zahl der Insolvenzgerichte im Freistaat zu reduzieren. Der Vorschlag wirkt seltsam aus der Zeit gefallen. Denn der Bundesgesetzgeber hat wegen Corona zahlungsunfähige Unternehmen für ein halbes Jahr von der Pflicht entbunden, ihre Insolvenz bei Gericht anzuzeigen. Wenn diese Frist abgelaufen ist, wird es zu einer Flut von Insolvenzen kommen, dann werden die Insolvenzgerichte viel zu tun haben.

Insolvenz ist die Unfähigkeit eines Schuldners, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern zu erfüllen. Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen natürlicher und juristischer Personen eröffnet werden. Ziel des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger.

1999 wurden die bisherigen Konkurs- und Vergleichsvorschriften durch die Insolvenzordnung ersetzt. Neben dem Regelinsolvenzverfahren für Unternehmen wurde zusätzlich für Privatpersonen ein vereinfachtes „Verbraucherinsolvenzverfahren“ eingeführt. Grundsätzlich sieht die Insolvenzordnung ein Insolvenzgericht am Sitz des Landgerichts vor. Für Bayern wären das 21 Insolvenzgerichte; tatsächlich gibt es 29. Durch Rechtsverordnung können nämlich andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten bestimmt werden, wenn dies zu einer sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren führt. 

Entwicklung der Verfahrenszahlen   

Der Rechnungshof schreibt in seinem Jahresbericht, dass die Verfahrenszahlen der bayerischen Insolvenzgerichte laut amtlicher Justizstatistik zwischen 2010 und 2018 deutlich zurückgegangen seien. Die Zahl der Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren habe sich von rund 24.500 auf annähernd 16.000 verringert, die Zahl der eröffneten Verfahren sei von rund 17.000 auf rund 11.000 zurückgegangen. Die Rückgänge erfolgten dabei über die Jahre hinweg vergleichsweise konstant. Das bayerische Justizministerium hat dem entgegengehalten, dass geringere Verfahrenszahlen nicht automatisch einen gleich umfänglichen Rückgang des tatsächlichen Arbeitsanfalls bedeuten, da es viele umfangreiche und arbeitsaufwendige Verfahren gäbe.      

Geschäftsanfall und Personalzuteilung      

Nach den Feststellungen des Rechnungshofs war die Personalzuteilung bei den Insolvenzgerichten recht unterschiedlich. Richter und Rechtspfleger waren an den meisten Gerichten nur anteilig für Insolvenzverfahren zuständig. So erreichte bei 25 von 29 Amtsgerichten dieser Anteil bei den Richtern nicht das Pensum einer Vollzeitkraft. Eine höhere Besetzung gab es lediglich bei vier Amtsgerichten, dort waren zwischen 1,07 und 5,41 Richter in Insolvenzverfahren tätig.      

Bündelung von Personal und Aufgaben bei weniger Gerichten?      

Der Personalbedarf der Justiz wird mit Hilfe eines Berechnungssystems auf Landesebene ermittelt. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die tatsächliche Personalzuteilung für die bayerischen Insolvenzgerichte im Jahr 2018 deutlich über den Werten lag, die sich aus dem Berechnungssystem ergaben. Nach Ansicht des Rechnungshofs ist die starke Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeiten eine Ursache für die erhöhte Personalzuteilung. Der Rechnungshof spricht von einer zu kleinteiligen Struktur. Eine Bündelung von Personal und Aufgaben bei weniger Gerichten würde es seiner Ansicht nach ermöglichen, leichter das erforderliche Spezialwissen aufzubauen und auf Schwankungen bei den Verfahrenszahlen zu reagieren.      

Zahlungsunfähige Unternehmen müssen derzeit ihre Insolvenz nicht anzeigen      

Der Vorschlag des bayerischen Rechnungshofs nimmt sich merkwürdig aus angesichts der Entwicklung, die seit Ausbruch der Corona-Pandemie stattgefunden hat. Im März 2020 hat der Bundesgesetzgeber zahlungsunfähige Unternehmen für ein halbes Jahr von der Pflicht entbunden, ihre Insolvenz bei Gericht anzuzeigen. Ende September endet die Aussetzung der Anzeigepflicht und dann erwarten alle Experten eine regelrechte Insolvenzwelle. Zurzeit wird vom Bundesjustizministerium eine Verlängerung der Frist für überschuldete Unternehmen um ein weiteres halbes Jahr erwogen.      

Organisatorische Änderungen bei den Insolvenzgerichten sollten unterbleiben      

Die Aussetzung der Anzeigepflicht hat bislang einen akuten Anstieg von Unternehmenspleiten verhindert. Gesunde Unternehmen, die ohne ihr Zutun durch die Corona-Krise zahlungsunfähig wurden, erhielten eine Überlebensperspektive. Allerdings können durch die Aussetzung der Antragspflicht auch Unternehmen weiterhin am Markt agieren, die schon vor Corona in Schwierigkeiten waren.

Eins steht jedenfalls fest: Wenn Corona überstanden sein wird und sich die Verhältnisse wieder normalisieren, wird eine Insolvenzwelle sondergleichen durch die deutsche Wirtschaft fegen. Dann werden alle Insolvenzgerichte, in Bayern wie andernorts, reichlich Arbeit bekommen. Von organisatorischen Änderungen bei den Insolvenzgerichten, liebe Leserinnen und Leser, sollte man derzeit unbedingt die Finger lassen, sagt mit Nachdruck

Ihr
Gotthilf Steuerzahler
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