Der Staat hält trotz aller Kritik am System der berufsständischen Kammern mit Mitglieds- und Beitragszwang fest, ja gelegentlich errichtet er sogar neue Kammern für bestimmte Berufe. Für das Finanzgebaren der Kammern interessieren sich die zuständigen staatlichen Stellen jedoch eher wenig, wie ein aktueller Bericht – wieder einmal – belegt.
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Bei den berufsständischen Kammern handelt es sich um Körperschaften des öffentlichen Rechts, deren Aufgaben und Befugnisse durch Landesrecht geregelt werden. Sie nehmen Aufgaben der Selbstverwaltung auf regionaler Ebene wahr. Sie besitzen Satzungsgewalt, welche personell auf ihre Mitglieder und sachlich auf ihren Aufgabenkreis beschränkt ist. Weit überwiegend besteht die gesetzliche Pflicht zur Mitgliedschaft, wenn man Angehöriger des betreffenden Berufs ist.
Im Bereich der Wirtschaft gibt es die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern, im Bereich der freien Berufe existieren Kammern für Ärzte und Apotheker, Rechtsanwälte und Notare, Architekten und Steuerberater, um nur einige zu nennen. In einigen Bundesländern gibt es auch eine Landwirtschaftskammer für Berufe im Agrarbereich. Die Kammern nehmen Einfluss auf Ausbildungs- und Prüfungsrichtlinien und entscheiden über die Zulassung zu bestimmten Berufen.
Das staatliche Haushaltsrecht gilt auch für die Kammern
In einem norddeutschen Bundesland wurde vor kurzem bei einer Reihe von Kammern untersucht, ob die zuständigen staatlichen Stellen die Aufsicht über die Finanzen dieser Einrichtungen auch ausreichend wahrnehmen. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts unterliegen die Kammern den Bestimmungen der Haushaltsordnung des betreffenden Bundeslandes. In der Haushaltsordnung werden Vorgaben für die Wirtschaftsführung und das Rechnungswesen der Kammern gemacht und die Aufgaben und Befugnisse der staatlichen Haushaltsaufsicht geregelt. Von den haushaltsrechtlichen Regelungen können Ausnahmen zugelassen werden, wenn finanzielle Interessen des Landes nicht berührt werden.
Vielfach wurde die Finanzaufsicht nicht wahrgenommen
Vorrangig geht es bei der staatlichen Aufsicht um die Genehmigung des Wirtschaftsplans und des Entlastungsbeschlusses der Kammern. Die Überprüfung ergab, dass diese Aufgaben häufig nicht wahrgenommen wurden. So übte das Gesundheitsministerium des Bundeslandes die Finanzaufsicht über die Psychotherapeutenkammer und die Tierärztekammer nicht aus. Das Ministerium für Stadtentwicklung und Wohnen ging davon aus, dass gegenüber der Architektenkammer und der Ingenieurkammer in früheren Zeiten Ausnahmen von den haushaltsrechtlichen Bestimmungen zugelassen worden waren. Diese waren jedoch nicht dokumentiert, was niemandem auffiel. Das Finanzministerium des Bundeslandes nahm die Haushaltsaufsicht über die Steuerberaterkammer gar nicht wahr, das Landwirtschaftsministerium bei der Landwirtschaftskammer nicht in ausreichendem Umfang.
Hohe Rücklagen bei zwei Kammern
Die Jahresabschlüsse der Architektenkammer wiesen für die Jahre 2011 bis 2017 unter den Passiva zweckgebundene Rücklagen von annähernd 300.000 Euro und ein sogenanntes „Kapital“ aus, das zuletzt mehr als 1,3 Millionen Euro erreichte. Dieses „Kapital“ war durch liquide Mittel gedeckt und wirkte wie eine zusätzliche ungebundene Rücklage. Es entstand durch stetige Jahresüberschüsse, die aus dem Kammerbetrieb und damit maßgeblich aus Beiträgen der Kammermitglieder resultierten. Begründet wurde das „Kapital“ damit, dass es ein finanzielles Polster bilden sollte, um dem Risiko konjunkturell bedingter Beitragsmindereinnahmen entgegenzuwirken. Vergleichbare finanzielle Positionen, allerdings mit deutlich geringeren Beträgen, fanden sich auch in den Jahresabschlüssen der Ingenieurkammer.
Die Mitgliedschaft in den Kammern sollte freiwillig sein
Es ist nun Aufgabe der betreffenden Ministerien, entweder die Haushaltsaufsicht tatsächlich wahrzunehmen oder gegebenenfalls Ausnahmen zuzulassen, soweit keine erheblichen finanziellen Interessen des Bundeslandes berührt sind. In Bezug auf die Rücklagenbildung will das zuständige Ministerium darauf hinwirken, dass die in Rede stehenden Kammern ihre Rücklagen auf ein satzungsrechtlich zulässiges Maß zurückführen oder ihre Mitgliedsbeiträge senken.
Die geschilderten Unzulänglichkeiten bei der Finanzaufsicht dokumentieren das geringe Interesse des Staates am Finanzgebaren der untersuchten Kammern, ja an deren Tätigkeit insgesamt. Man sollte das Kammersystem als Bündelung der berufsständischen Interessen der Mitglieder zwar nicht insgesamt in Frage stellen, die Zwangsmitgliedschaft sollte jedoch abgeschafft werden. Die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft würde den Beweis erbringen, dass die Kammern in den Augen ihrer „Kundschaft“ die geforderten, vielfach recht hohen Mitgliedsbeiträge wert sind – oder auch nicht, sagt mit Nachdruck
Ihr
Gotthilf Steuerzahler
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Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar.