Systematischer Steuerbetrug und Steuervermeidung bei der Umsatzsteuer führen seit Jahren zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe. Dies belastet nicht nur die Haushalte von Bund und Ländern, sondern benachteiligt auch steuerehrliche Unternehmer. Trotz der bisherigen Anstrengungen des Gesetzgebers und der Verwaltung bei der Betrugsbekämpfung ist bis heute keine Trendwende erkennbar.
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Die Umsatzsteuer ist eine der aufkommensstärksten Steuern in Deutschland. Gleichzeitig ist sie aber auch sehr betrugsanfällig. Diese Betrugsanfälligkeit basiert auf dem System der Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Danach fällt die Umsatzsteuer auf jeder Handelsstufe auf den Nettobetrag des Entgelts an und ist an das Finanzamt zu zahlen. Zugleich kann der Unternehmer die an seine Vorlieferanten gezahlte Umsatzsteuer für Einkäufe von Waren und Dienstleistungen oder Investitionen als Vorsteuer davon abziehen, soweit diese in einer Rechnung ausgewiesen ist.
Im Ergebnis ist nur die Differenz an das Finanzamt zu überweisen. Sind die Vorsteuerbeträge höher als die zu zahlende Umsatzsteuer, erhält der Unternehmer vom Finanzamt das Guthaben erstattet. Das Wechselspiel aus Umsatzsteuer und Vorsteuer birgt aus Sicht des Fiskus zwei Ansatzpunkte für betrügerische Steuerausfälle: zum einen durch nicht abgeführte Umsatzsteuerbeträge, zum anderen durch zu Unrecht vergütete Vorsteuerbeträge.
Unrechtmäßige Erstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle
Ein klassisches Betrugsmodell ist das sogenannte Umsatzsteuerkarussell. Seit der Einführung des europäischen Binnenmarktes im Jahr 1993 spielt vor allem die grenzüberschreitende Variante eine große Rolle. Bei dieser Betrugsmasche täuschen organisierte Banden grenzüberschreitende Warenverkäufe vor, um sich Vorsteuern vom Finanzamt erstatten zu lassen, ohne dass die entsprechende Umsatzsteuer gezahlt wird. Die erschlichenen Erstattungen behalten die Beteiligten teilweise für sich, teilweise setzen sie sie ein, um die Endverbrauchspreise zu reduzieren. Zusätzlich zum Steuerschaden entsteht so eine Wettbewerbsverzerrung zulasten steuerehrlicher Unternehmer.
Maßnahmen des Gesetzgebers brachten nicht den gewünschten Erfolg
Der Gesetzgeber verabschiedete im Jahr 2002 ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs, insbesondere durch grenzüberschreitende Karussellgeschäfte. Wesentliche Instrumente dieses Paketes brachten bis heute nicht den gewünschten Erfolg. Sie wurden von den Finanzbehörden nicht oder nicht gezielt angewendet. Selbst wenn sie teilweise eine gewisse präventive Bedeutung erlangt haben, erfüllten sie nicht ihren eigentlichen Zweck, Steuerbetrug wirksam zu bekämpfen. Der Gesetzgeber schärfte einzelne Regelungen nach, eine deutliche Verbesserung blieb aber aus.
Es gibt Rückschläge bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs
Die ebenfalls im Jahr 2002 eingeführte monatliche Erklärungspflicht für Unternehmensgründer und der Einsatz der Umsatzsteuer-Sonderprüfung haben sich zwar als effektive Instrumente zur Betrugsbekämpfung bewährt. Jedoch hat der Gesetzgeber die monatliche Erklärungspflicht für mehrere Jahre ausgesetzt. Darüber hinaus weist die Umsatzsteuer-Sonderprüfung seit Jahren kontinuierlich sinkende Prüfquoten auf. Beides bewerten Kritiker als Rückschritt im Kampf gegen den Umsatzsteuerbetrug.
Verlagerungstendenzen bei den kriminellen Aktivitäten
Auch das Reverse-Charge-Verfahren, das die Umsatzsteuerschuld auf den Empfänger der Leistung verlagert, ist ein grundsätzlich wirksames Instrument zur Betrugsbekämpfung. Da es allerdings nur auf bestimmte Umsätze anwendbar ist, verschieben sich die kriminellen Aktivitäten in andere Bereiche. Zwar hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens mehrfach erweitert, löste damit jedoch neue Verlagerungstendenzen aus. Hinzu kamen grenzüberschreitende Ausweichbewegungen und Betrugsmodelle im Dienstleistungssektor. Diese Lücken müssten schnellstens geschlossen werden.
Unzulängliche IT-Ausstattung der Finanzverwaltung
Die IT-Unterstützung bei der Betrugsbekämpfung reicht nicht aus. Zentrale nationale Systeme für die umsatzsteuerliche Kontrolle sind veraltet. Ein nationales IT-Tool für das europäische Frühwarnsystem EUROFISC ist noch nicht entwickelt. Die Bundesländer haben seit einigen Jahren spezielle Sondereinheiten eingerichtet, die sich mit der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges befassen (Zentralstellen). Diese Zentralstellen sind überwiegend im Bereich der Steuerfahndung angesiedelt. Für die Betrugsbekämpfung fehlt den Zentralstellen die technische Infrastruktur für einen automatisierten Datenaustausch. Dies behindert eine effiziente Zusammenarbeit der Zentralstellen.
Das Bundesfinanzministerium weist die Kritik zurück
Fachleute sind der Auffassung, dass die Finanzbehörden mit den vorhandenen Instrumenten und einer veralteten technischen Infrastruktur weder dem „klassischen“ Umsatzsteuerbetrug noch den neuen „digitalen“ Betrugsmodellen die Stirn bieten können. Deshalb müssten die analogen Instrumente verbessert werden und neue Technologien und Methoden zum Einsatz kommen. Das Bundesfinanzministerium weist die Kritik zurück, dass bei der Betrugsbekämpfung bis heute keine Trendwende erkennbar sei. Gesetzgeber und Finanzverwaltung hätten in den vergangenen Jahren zahlreiche gesetzliche und organisatorische Maßnahmen eingeführt, die für die Betrugsbekämpfung geeignet und erforderlich gewesen seien.
Eine Neuausrichtung der Betrugsbekämpfung ist erforderlich
Es war zu erwarten, dass das Bundesfinanzministerium die Kritik aus der Fachwelt zurückweist. Aber festzuhalten bleibt, dass die vorhandenen Instrumente verbessert werden müssen und die Finanzverwaltung digital aufgerüstet werden muss. Die geforderte Neuausrichtung der Betrugsbekämpfung ist sicher nicht von heute auf morgen realisierbar. Aufgrund des hohen Schadens, den Betrug und Hinterziehung für den Fiskus und für steuerehrliche Unternehmer verursachen, duldet ihre Umsetzung aber keinen weiteren Aufschub. Das Bundesfinanzministerium sollte die Chancen der Digitalisierung nutzen, liebe Leserinnen und Lesern, und gemeinsam mit den Ländern die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs zukunftsfähig machen, sagt mit Entschiedenheit
Ihr
Gotthilf Steuerzahler
www.krisensicherinvestieren.com
Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar.