Taiwan: Geographisch ein Zwerg, ökonomisch ein Riese

von , 06.02.2023, 19:46 Uhr

Taiwan ist eine vergleichsweise kleine Insel im Südchinesischen Meer, von der Fläche her etwa halb so groß wie Baden-Württemberg, die zusätzlich zum Ukraine-Konflikt die weltweite Aufmerksamkeit auf sich zieht. Denn die gegenwärtige US-Führung hat wiederholt keinen Zweifel daran gelassen, dass sie notfalls die US-Armee zur Rettung Taiwans vor den kommunistischen „Festland-Chinesen“ losschicken würde.

Joe Biden hat zum ersten Mal Vertreter aus Taiwan eingeladen

Ein entsprechendes Wettdrohen, bei dem beispielsweise amerikanische und chinesische Flugzeugträger im Südchinesischen Meer kreuzen und chinesische Kampfflugzeuge regelmäßig in den Luftraum Taiwans eindringen, steht längst auf der Tagesordnung. Die USA betrachten im Rahmen ihrer zunehmend China-kritischen Haltung Taiwan mehr denn je als eine für sie wichtige militärische und politische Bastion. Bei der Inauguration von US-Präsident Joe Biden vor etwa zwei Jahren war deshalb auch zum ersten Mal ein Vertreter Taiwans eingeladen.

Taiwan Flagge
Taiwan Flagge

Dies verwunderte nicht zuletzt deshalb, weil Taiwan ein Zwitterstaat ist, dem Ende 1971 die Zugehörigkeit zu den Vereinten Nationen entzogen wurde und der aktuell nur von wenigen anderen Ländern anerkannt ist. Die meisten Staaten – darunter auch Deutschland – folgen dagegen der offiziellen „Ein-China-Politik“ des Festlandes und erkennen Taiwan nicht als eigenständiges Land an.

Taiwan stand schon einmal unter chinesicher Herrschaft

Vom Ende des 17. Jahrhunderts bis 1885 stand die Insel unter chinesischer Herrschaft, danach dann bis 1945 unter der des japanischen Kaiserreichs, um mit Kriegsende wieder an China zu fallen. Es kam zu einem Bürgerkrieg gegen die dortigen Kommunisten, den diese 1949 verloren und Taiwan gewissermaßen „frei“ wurde.

Seitdem betrachtet Peking Taiwan als „Eigentum“ und eine Wiedervereinigung gilt in Peking als „Königsdisziplin“ aller dort herrschenden Politiker. Dabei wird immer wieder auf den Grundsatz verwiesen, diese Wiedervereinigung notfalls auch mit Gewalt zu erzwingen. Die von einer alternden Bevölkerung (z.Z. etwa 23 Millionen) gekennzeichnete Inselrepublik ist ein „ökonomischer Riese“. Etwa zwei Drittel aller weltweit hergestellten Speicherchips werden dort produziert, 70 % des Sozialprodukts gehen in den Export. Allen voran in die USA, nach Japan – und nach China.

Taiwan gilt militärisch als kaum einnehmbar

Militärisch gilt das hochgerüstete und wegen zahlreicher Gebirgszüge nur schwer zugängliche Taiwan als kaum einnehmbar. In Simulationen kamen westliche Militärexperten zu dem Schluss, dass eine Invasion rund 10 000 chinesische Soldaten das Leben kosten würde und danach große Teile der chinesischen Marine vernichtet wären.

Doch auch ein Sieg Taiwans wäre nur mit aktiver Beteiligung der USA und Japans denkbar, bei dort ebenfalls hohen Verlusten an Material und Menschen. In Westeuropa, das sei deutlich gesagt, ist man an einer militärischen Auseinandersetzung im Südchinesischen Meer ganz und gar nicht interessiert. Man sieht Taiwan als demokratischen Freund, aber keinesfalls als Kriegsgrund.

Schon im Vorfeld eines militärischen Konflikts würde auch die deutsche Wirtschaft massiv unter Lieferproblemen (Elektronikchips aus Taiwan, s.o.) und Absatzschwierigkeiten (China ist Deutschlands größter Handelspartner außerhalb des Westens) zu leiden haben. Ein Konflikt um Taiwan würde deshalb die sich immer deutlicher abzeichnende geostrategische Kluft zwischen Europa und den USA nur noch erweitern. (tb)


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