Die kürzlichen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ließen insbesondere für die CDU die bittere Ahnung Gewißheit werden, daß es ein „weiter so“ nicht geben kann, wenn das politische Feld nicht weitgehend an grüne, rote und tiefrote Kräfte abgegeben werden soll.
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Und auch die SPD mußte dort Federn lassen, wo sie nicht durch eine viele Wähler offenbar überzeugende Persönlichkeit vertreten war. Vorbei sind die Zeiten, zu denen schwarze oder rote Stammwähler unabhängig von den jeweiligen Kandidaten ihre Kreuze bei „ihrer“ Partei machten. Parteipolitische Stammländer gibt es deshalb derzeit nicht mehr und sie sind auch nicht in Sichtweite. Als vorerst gescheitert muß auch das Konzept der SPD gelten, mit ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz eine Art „männlichen Merkel in Rot“ anzubieten.
Scholz als Kanzlerkandidat "überstrahlt" fast alles
Das relativ gute Abschneiden der SPD in Rheinland-Pfalz ist auf die Beliebtheit der dortigen Spitzenkandidatin zurückzuführen, der Absturz der Genossen in Baden-Württemberg dagegen auf das Fehlen eines örtlichen Spitzenkandidaten, der Scholz als Kanzlerkandidat in der Wahrnehmung etlicher Wähler zu „überstrahlen“ vermag. Die Grünen zeigten schließlich in Baden-Württemberg wieder einmal, daß sie durchaus mehrheitsfähig sein können, wenn sie nur ihr eher linkes Milieu ansatzweise verlassen und dem sprichwörtlichen „alten weißen Mann“ ihre angebliche Wertschätzung suggerieren.
Genau dies tat der grüne Spitzenkandidat und baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, indem er sich z.B. über das „überspannte Sprachgehabe“ seiner grünen Genossen mokierte, er sich gegen den „Tugend-Terror“ wandte und er die „grünen Sprachpolizisten“ nicht nur umschrieb, sondern sie ganz offen auch so benannte. Die Union bekam bei der Wahl bestätigt, daß die Bürger ihr teilweises Corona-Mißmanagement nicht mehr goutieren. Die Fehlleistungen wurden an dieser Stelle bereits mehrfach benannt, auf eine Wiederholung soll verzichtet werden. Daß die „Masken-Provisionsjäger“ nicht zu einem noch größeren Absturz der CDU in der Wählergunst sorgten, ist nach verbreiteter Beobachterauffassung dem bei diesen Wahlen extrem hohen Briefwähleranteil zuzurechnen.
Masken-Skandal noch nicht vollständig eingepreist
Die Briefwahlstimmen wurden mehrheitlich bereits vor dem Bekanntwerden der „Masken-Provisionen“ abgegeben. Insgesamt gesehen scheint sich für die Union nun die von Merkel jahrelang verfolgte Politik abrupter Kurswechsel (z.B. in der Familienpolitik, beim Atomausstieg und auch in der Migrationskrise) zu rächen. Heraus kam eine heute in Merkel-Anhänger und -Gegner regelrecht gespaltene, programmatisch entkernte und spätestens nach den jüngsten Wahlschlappen auch verunsicherte CDU. Die Partei „muß laufen lernen, muß sich zutrauen, in Zukunft ohne ihr altes Schlachtross“ in den politischen Kampf zu ziehen – sagte CDU-Generalsekretärin Merkel 1999, als sie die CDU zu einer regelrechten Lossagung von Helmut Kohl aufrief.
Die CDU muss einmal mehr laufen lernen
Nun muß die CDU wieder einmal laufen lernen, und dies mit ihrem neuen Vorsitzenden Armin Laschet. Er muß jetzt Stellung beziehen, er muß jetzt sagen, wo die CDU aktuell steht und wohin er mit ihr ziehen möchte. Das wäre jetzt wichtiger denn je. Nicht nur für Laschet und die CDU, sondern für unser ganzes Land, dessen Wirtschaft und Gesellschaft nicht erst seit heute unter den mannigfachen Pandemieeinschränkungen – ganz gleich, ob diese gerechtfertigt sein sollten oder nicht – zu leiden haben. Ein kleiner Lichtblick, darauf sei abschließend verwiesen, ergab sich am Abend des Wahlsonntags für die FDP. Sie zog mit Kandidaten in den Wahlkampf, die mehrheitlich eine eigene Meinung auch abseits der offiziellen Parteiveröffentlichungen vertraten und hatte damit Erfolg. Wenn es der FDP gelingen sollte, diese offene „Parteiarchitektur“ deutschlandweit und bis über den Bundestagswahltermin hinaus zu installieren und zu beherzigen, wäre das bundespolitische Überleben der Liberalen mehr als nur gesichert. (tb)
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