Interessenkollisionen von Aufsichtsräten der Deutschen Bahn

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Der Bundesrechnungshof hat sich vor kurzem mit der Besetzung der Aufsichtsräte der Deutschen Bahn AG und deren Tochterunternehmen beschäftigt. Er hat festgestellt, dass bei mehreren Aufsichtsratsmitgliedern eine Interessenkollision zwischen den Unternehmens- und den Bundesinteressen besteht. 

Der Bund ist Alleineigentümer des DB AG-Konzerns und mittelbarer Eigentümer der über 600 Tochterunternehmen der Bahn. Das Bundesverkehrsministerium ist federführend für die Beteiligung des Bundes an der DB AG zuständig. Der Bund nimmt seine Eigentümerrechte in erster Linie über die Bundesvertreter im Aufsichtsrat der DB AG wahr. Das Bundesverkehrsministerium, das Bundesfinanzministerium und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie entsenden je eine Person in den Aufsichtsrat der DB AG. Teilweise entsenden die genannten Ministerien auch Personen in die Aufsichtsräte der Tochterunternehmen. Zudem hatten mehrere Mitglieder des Deutschen Bundestages Mandate im Aufsichtsrat der DB AG oder eines Tochterunternehmens inne. 

Die genannten Aufsichtsratsmitglieder übten ihre Mandate neben ihren Aufgaben im Deutschen Bundestag bzw. in den Bundesministerien aus. Die DB AG vergütete den Mitgliedern des Konzernaufsichtsrates im Jahr 2020 ihre Mandate mit insgesamt 746 000 Euro. Bei allen anderen Beteiligungen aus dem Bereich des Verkehrsministeriums erhalten die Aufsichtsratsmitglieder wesentlich niedrigere oder keine Vergütung.

Unterschiedliche Unternehmens- und Bundesinteressen

Es ist Aufgabe eines Aufsichtsrates, die Geschäftstätigkeit des betreffenden Unternehmens zu überwachen. Er muss beratend auf den Vorstand einwirken. Jedes Aufsichtsratsmitglied ist dem Unternehmensinteresse verpflichtet; dieses ist insbesondere durch den Unternehmensgegenstand und -zweck geprägt. Außerdem müssen Aufsichtsratsmitglieder Verschwiegenheit über vertrauliche Berichte und Beratungen wahren. Die Abgeordneten sind in ihrer hauptamtlichen Tätigkeit hingegen den Bundesinteressen verpflichtet. Gleiches gilt für die von den Bundesministerien entsandten Aufsichtsratsmitglieder. Bei Personen in Doppelfunktionen können deshalb – je nach Fallkonstellation – Interessenkonflikte auftreten.

Es gibt Regelungen zur Vermeidung von Interessenkollisionen

Das Bundeskabinett verabschiedete im September 2020 die Neufassung der „Grundsätze guter Unternehmens- und aktiver Beteiligungsführung im Bereich des Bundes“. Die Grundsätze zielen darauf ab, Interessenkollisionen zu vermeiden. Die Regelungen sollen ein objektives Handeln der Behörden sicherstellen und bereits dem Anschein einer möglichen Parteilichkeit entgegenwirken. Sollen Aufsichtsratsmandate neu besetzt werden, muss das Bundesministerium, dem das Vorschlags- oder Entsenderecht zusteht, prüfen, ob bei der Person mögliche Interessenkollisionen vorliegen. Weiterhin soll jedes Aufsichtsratsmitglied auftretende Interessenkollisionen unverzüglich offenlegen. Das Verkehrsministerium holt zu Beginn einer Aufsichtsratsperiode sogenannte Selbstverpflichtungsvereinbarungen ein, in denen die Abgeordneten und Bundesbediensteten im Aufsichtsrat diese Pflicht bestätigen. Bei wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkollisionen soll das Mandat beendet werden. 

Aufsichtsrat auf der einen Seite, Geldgeber auf der anderen Seite

Der Bundesrechnungshof machte das Verkehrsministerium u. a. auf folgende Fälle aufmerksam, in denen Interessenkollisionen vorliegen: Ein Mitglied des Aufsichtsrates der DB AG war in seiner hauptamtlichen Tätigkeit auch damit beschäftigt, dem Konzern Bundesmittel für Erhöhungen des Eigenkapitals von mehreren Milliarden Euro bereitzustellen. Wem fühlte er sich mehr verpflichtet, den Interesse der DB AG oder des Bundes? Mehrere andere Personen waren Aufsichtsratsmitglieder bei der DB AG oder bei solchen Tochterunternehmen, die regelmäßig Zuschüsse des Bundes erhalten. In ihrem Hauptamt waren diese Personen damit befasst, Bundesmittel für die DB AG und die angesprochenen Tochterunternehmen zu bewilligen oder zu kontrollieren.

Jetzt muss der Bundestag entscheiden

Das Verkehrsministerium hat die Doppel- bzw. Mehrfachfunktionen von Abgeordneten und Bundesbediensteten nicht bestritten, diese aber anders bewertet als der Bundesrechnungshof. Es liege im Interesse des Bundes, Aufsichtsratsmandate mit fachnahen Personen zu besetzen. Dies stelle nicht per se eine Interessenkollision dar. Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Kritik. Er hat das Bundesverkehrsministerium aufgefordert, die bestehenden Interessenkollisionen aufzulösen und geeignete Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen. Man kann sehr gespannt sein, liebe Leserinnen und Leser, welche Position der Deutsche Bundestag einnehmen wird, dem die Angelegenheit zur Entscheidung vorliegt. Vielleicht sieht die neue parlamentarische Mehrheit und die neue Spitze des Verkehrsministeriums die Dinge etwas strenger als bisher, darauf hofft

Ihr
Gotthilf Steuerzahler
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Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar