Guido Westerwelle 2011: Die Freiheit ist in Gefahr, wenn die Bürger ihr eigenes Immunsystem vergessen.

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Vor etwa zehn Jahren (am 13. Mai 2011) hielt der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle eine bewegende Rede, in der er sich einmal nicht an seine politischen Gegner wandte, sondern die Bürger, jeden einzelnen von uns. Es war die vielleicht bewegendste und leidenschaftlichste Ansprache seiner gesamten Karriere – und sie ist noch heute aktuell und kann uns sorgenvoller denn je stimmen.

Es ging damals u.a. um die Frage, inwieweit zur Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung Telefone abgehört oder auch damals schon Computer durchsucht werden dürfen und Westerwelle warnte eindringlich vor einer allzu naiven Sicht auf diese Dinge.

Westerwelle: „Wir wollen ein Volk von selbstbewußten Staatsbürgern sein“

Er sprach von einer „Freiheitsbedrohung“, die „nicht mit Gewalt und laut“ daherkomme, „sondern sie kommt leise. Sie kommt mit allerlei Begründungen, mit oftmals auch gut gemeinten Begründungen“, warnte er. Und weiter gab er zu bedenken: „Und die Freiheit stirbt nicht durch Politiker, stirbt nicht dadurch, daß man Bürgerrechte und Freiheitsrechte von Politik wegen einschränken will, sondern es wird dann gefährlich für die Freiheit, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr eigenes Immunsystem vergessen, das sie wappnen muß gegen jede Freiheitsbedrohung.“ „Wir wollen ein Volk von selbstbewußten Staatsbürgern sein“, schlußfolgerte er schließlich, „und nicht von Untertanen.

Einschränkung von Bürgerrechten darf auch in einer Pandemie nur die allerletzte Möglichkeit sein

Bürgerrechte zu verteidigen, das ist eine heilige Aufgabe zu allen Zeiten. In der Vergangenheit und auch in Zukunft.“ Soweit die Worte des etwa fünf Jahre später an Krebs verstorbenen FDP-Politikers. Blickt man auf das heutige Corona-Deutschland und die meisten seiner Politiker, die sich damit brüsten, den Einwohnern ihre Bürgerrechte zurückgeben zu wollen, wenn die Pandemie dies wieder erlaube, kann man sich eines leichten Schauderns kaum noch erwehren. Ohne hier den Sinn und Zweck einzelner Maßnahmen auch nur ansatzweise bezweifeln zu wollen, muß doch die Anmerkung erlaubt bleiben, daß auch während einer Pandemie eine Einschränkung von Bürgerrechten nur die allerletzte Möglichkeit sein darf. Und es ist ein fataler Irrglaube, wenn manche Politiker offenbar annehmen, daß „Bürgerrechte“ nach politischem Gusto gerade so zugeteilt oder auch genommen werden können, wie es die Durchsetzung der jeweiligen politischen Ziele gestattet oder erfordert.

Unsere Grundrechte, das sei den Berliner Verantwortlichen wieder einmal ins Stammbuch geschrieben, können von niemandem verliehen und deshalb auch von niemandem entzogen werden. Sie sind einfach da und genau das unterschied seinerzeit das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland von dem der früheren SED/FDJ-„DDR“, wie es u.a. auch Bundeskanzlerin Angela Merkel inzwischen verinnerlicht haben sollte. Leider gab in den letzten Monaten auch ihre Wortwahl zuweilen Anlaß zum Zweifel.

Westerwelles Mahnung ist heute aktueller denn je

Guido Westerwelles einstige Mahnung ist deshalb heute nötiger denn je. Nun werden die vorstehenden, grundsätzlichen Gedanken von gesetzestreuen Bürgern oft mit dem Hinweis quittiert, dies ginge sie nichts an, weil sie ja „nichts zu verbergen“ hätten. Das ist richtig und falsch zugleich. Es ist leider falsch, weil in diesem Zusammenhang keine Grundrechtseinschränkungen, keine immer engere staatliche Überwachung das Problem sind, sondern die Definition dessen, was „richtig“ oder „falsch“ ist. Im Zweifel könnte eine einfache Änderung nur weniger Gesetze ausreichen, um aus bisher braven Bürgern Strolche zu machen, die strengster staatlicher Kontrolle und Sanktion bedürfen. Deshalb gehen die Aussetzung von Bürgerrechten und eine immer engere staatliche Überwachung uns alle an! (tb)


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