Gerichtsvollzieher leben gefährlich

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Gerichtsvollzieher waren noch nie beliebt. Doch in letzter Zeit haben die verbalen wie tätlichen Angriffe auf diesen Berufsstand stark zugenommen. Nun wird verstärkt darüber nachgedacht, wie die Gerichtsvollzieher besser geschützt werden können.

In unserem Rechtsstaat wird Rechtsfrieden in erster Linie durch gerichtliche Entscheidungen herbeigeführt. Von großer Bedeutung ist auch die zeitnahe und wirksame Vollstreckung dieser Entscheidungen. Den Gerichtsvollziehern kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Gerichtsvollzieher führen unter anderem die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen durch, nehmen Schuldnern die Vermögensauskunft ab und stellen Schriftstücke zu. Sie sind in der Regel Beamte im mittleren Dienst in einer Sonderlaufbahn. Den Gerichtsvollziehern sind feste Bezirke innerhalb eines Amtsgerichtsbezirks zugewiesen, in denen sie ausschließlich zuständig sind. Sie unterliegen der Dienstaufsicht des jeweiligen Amtsgerichts. 

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Die Gerichtsvollzieher unterhalten an ihrem Amtssitz ein Büro. Soweit es der Geschäftsbetrieb erfordert, können auch Büroangestellte beschäftigt werden. Als Beamte erhalten die Gerichtsvollzieher ein Gehalt, daneben stehen ihnen bestimmte prozentuale Anteile an den von ihnen vereinnahmten Gebühren zu. Weiterhin erhalten sie eine Entschädigung für ihr Büro und die dort beschäftigten Mitarbeiter. 

Personelle Unterbesetzung bei den Gerichtsvollziehern in Thüringen      

Ein vor kurzem bekannt gewordener Untersuchungsbericht enthält ausschlussreiche Zahlen und Fakten zum Gerichtsvollzieherwesen in Thüringen. In dem Bericht wird ausgeführt, dass das Bundesland im Jahr 2017 einen Personalbedarf von 119 Gerichtsvollziehern hatte. Davon waren 112 Stellen – aufgrund von Teilzeitbeschäftigung und Langzeiterkrankungen – mit rund 104 Arbeitskraftanteilen besetzt. Der Dienstbetrieb war an einigen Amtsgerichten nur dadurch aufrecht zu erhalten, dass einzelne Gerichtsvollzieher zwei Bewirke übernehmen mussten. Dienstaufsichtsbeschwerden und Überlastungsanzeigen häuften sich, insbesondere bei denjenigen Amtsgerichten, die von personeller Unterbesetzung betroffen waren. Schwierig gestaltete sich die Nachwuchsgewinnung. In den Jahren 2016 und 2017 hatte jeweils nur eine Nachwuchskraft die Ausbildung begonnen.      

Nunmehr können auch externe Bewerber eingestellt werden      

Das Thüringer Justizministerium hat in einer Stellungnahme zu dem Untersuchungsbericht die angespannte personelle Situation bei den Gerichtsvollziehern eingeräumt. Es hat mitgeteilt, dass sich diese inzwischen leicht entspannt habe. Die in dem Untersuchungsbericht angeregte Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung sei erfolgt. Sie ermögliche nunmehr auch die Einstellung externer Bewerber. Davon sei bereits Gebrauch gemacht worden. Neben zwei internen Bewerbern hätten 2018 vier externe Bewerber die Ausbildung begonnen. Da sich zudem der Personalbedarf in 2018 verringert habe, habe sich die Unterbesetzung auf vier Arbeitskraftanteile reduziert.      

Tätigkeit der Gerichtsvollzieher in einem „konfliktbehafteten Umfeld“      

Außerdem wurde in dem Untersuchungsbericht auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Sicherheit der Gerichtsvollzieher zu verbessern. Deren Tätigkeit finde zum Teil in einem konfliktbehafteten Umfeld statt. Die Außendiensttätigkeit erfolge oftmals allein in fremden Wohnungen. Zur Verbesserung der Sicherheit kämen verschiedene Maßnahmen, wie z. B. mobile Alarmgeräte, Schutzwesten und Sicherheitshandschuhe, in Betracht. Auch Schutzimpfungen sollten regelmäßig durchgeführt werden. Als Ergebnis der Untersuchung wurde gefordert, ein umfassendes Sicherheitskonzept für alle Gerichtsvollzieher in Thüringen zu erstellen.      

Erschreckende Zahlen aus Nordrhein-Westfalen      

Der vage Hinweis auf das konfliktbehaftete Umfeld, in dem die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher stattfindet, lässt die wahre Dimension der Problematik nicht erkennen. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen wurde hingegen vor kurzem Klartext geredet. In einem Bericht an den Landtag hat das nordrhein-westfälische Justizministerium erschreckende Zahlen mitgeteilt. Danach gab es in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2018 rund 200 Fälle von Beleidigungen und versuchten Nötigungen von Gerichtsvollziehern. 

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In 74 Fällen kam es zu Bedrohungen mit einfacher körperlichen Gewalt und mit Gegenständen des Alltags (Werkzeugen, Sportgeräten). Bedrohungen mit Messern, Schlagstöcken oder einem scharfen Hund gab es zwölf Mal, eine Schusswaffe war ein Mal im Spiel. Schlimm ist auch die ausbleibende Ahndung dieser Angriffe: Wie sich aus dem Bericht des nordrhein-westfälischen Justizministeriums ergibt, wurde nur in wenigen Fällen eine Strafanzeige erstattet bzw. ein Strafantrag gestellt. Von einer Bestrafung der Übeltäter ist nichts bekannt.     

Schutzwesten und mobile Alarmgeräte für die Gerichtsvollzieher      

Das Thüringer Justizministerium hat sich der Auffassung angeschlossen, dass die Eigensicherung der Gerichtsvollzieher verbessert werden müsse. Geplant seien daher diverse Maßnahmen, wie beispielsweise die Ausstattung mit Schutzwesten, für die es eine Bedarfsabfrage gegeben habe. Auch hinsichtlich der mobilen Alarmgeräte sei eine bedarfsgerechte Ausrüstung vorgesehen. Zudem werde den Gerichtsvollziehern im Jahr 2019 eine Schutzimpfung ermöglicht. Auch Nordrhein-Westfalen testet mobile Alarmgeräte für Gerichtsvollzieher in Notsituationen. Die Möglichkeit, den Gerichtsvollziehern „rechtssicher“ Hinweise auf bereits aggressiv gewordene Schuldner zu geben, wird von der Justiz in diesem Bundesland noch geprüft. Sie wissen ja, liebe Leserinnen und Leser, Datenschutz und so weiter, sagt voller Unverständnis 

Ihr
Gotthilf Steuerzahler 

Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar