Gekaufte Politik

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Wegen der heimlich aufgenommenen „Ibiza-Videos“ wird Österreich zur Zeit von der seit Jahrzehnten schlimmsten Regierungskrise geschüttelt. Der zumindest unter Alkohol- und vielleicht auch Drogeneinfluß stehende, Noch-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verdeutlicht der Weltöffentlichkeit dort mit seiner dummen Prahlerei, wie das Zusammenspiel zwischen Politik und Wirtschaft zumindest in manchen Fällen funktioniert. Die Offenheit und Bestimmtheit seiner Worte erschreckt und legt zugleich die Vermutung nahe, daß es derartige Machenschaften auch in der Realität – und nicht nur im kleinen Österreich – gibt. Vorerst offen bleibt die Frage, wer genau hinter diesen Aufnahmen steckt und vor allem, warum dieses Video nicht schon vor der letzten Nationalratswahl (aus der die FPÖ erfolgreich hervorging) veröffentlicht wurde?

Strache spricht in dem Video von Spenden an FPÖ-nahe Vereine von bis zu 2 Millionen Euro. An der genauen Höhe darf man durchaus zweifeln („Prahlerei“), doch selbst wenn sie stimmen sollte, würde es sich um vergleichsweise geringe Beträge handeln, wenn man sie z.B. mit den Wahlkampffinanzierungsspenden in den USA vergleicht. Alle Spenden zusammengenommen, knackte dort Barack Hussein Obama im Jahr 2012 die Milliardengrenze. Und nachdem der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, im Jahr 2014 die bis dahin geltenden Obergrenzen für einzelne Spenden kippte, gab es bei den Wahlkampfspenden kaum ein Halten mehr. Auch große deutsche Konzerne mischten hier bereits kräftig mit.

So unter anderem HeidelbergCement, wo man für den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump spendete und Volkswagen, wo man mit Hillary Clinton allerdings wohl auf das bis dato falsche Pferd gesetzt hatte. In Frankreich ranken sich manche Vermutungen und Legenden – bis hin zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen – um die stattliche Summe, die der jetzige Präsident Emmanuel Macron vor und während des Wahlkampfes für seine Bewegung „en Marche“ einsammelte. Laut der französischen Zeitung „Mediapart“ dürfte hier insbesondere der Finanzsektor gezahlt haben, hatte Macrons derzeitiger „Schatzmeister“ doch vorher eine Führungsposition im BNP-Finanzkonglomerat inne.

Nach Washington sind in Brüssel mit etwa 25 000 Gesandten die weltweit zweitmeisten Lobbyisten an einem Ort konzentriert. Sie können jährlich rund 1,5 Mrd. Euro an die verschiedenen EU-Institutionen verteilen, treffen sich jährlich tausendfach mit den EU-Kommissaren und sind ständige Mitglieder zahlreicher „Expertenrunden“. Einzelne „Spenden“ im lediglich sechsstelligen Bereich dürften in diesem Lobbybetrieb längst keinen Hund mehr hinter dem Ofen vorlocken, wenngleich sie auf der normalen Tagesordnung stehen und gleichwohl politisch wie moralisch zu verurteilen sind.

Noch gibt es keine belastbaren Hinweise darauf, wer auf Ibiza hinter den Lockvögeln stand. Strache selbst sprach zwar sofort von „Geheimdiensten“, die ihn schon verschiedentlich hinters Licht zu führen versucht hätten, doch genauere Hinweise hierzu blieb er bisher schuldig. Etwas später stellte sich jedoch der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) von der Sache her an Straches Seite, indem auch er die Geheimdienstvermutung äußerte. Bisher bedeckt hält sich in dieser Frage der „Spiegel“, dem die Videos zwecks Veröffentlichung zugespielt wurden. Man sagte dort bisher nicht einmal, zu welchem Zeitpunkt und aus welcher Richtung die Videos eingegangen seien.

Fest steht jedoch nach Auffassung gut orientierter Beobachter, daß der kurz vor der Europawahl liegende Veröffentlichungszeitpunkt nicht nur auf die FPÖ zielen sollte, sondern auf alle europakritischen Parteien. Ersten Umfragen in Österreich zufolge dürfte dieses Ziel allerdings nicht erreicht worden sein. Zwar gab es Verschiebungen im konservativen Bereich (ÖVP plus 4 Prozentpunkte, FPÖ minus 5), doch die Verluste der FPÖ hielten sich zunächst in einem relativ begrenzten Rahmen. (tb)


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