Von der öffentlichen Hand finanzierte Orchester bemühen sich häufig nicht sonderlich darum, aus eigener Kraft einen Beitrag zur Verbesserung ihrer finanziellen Lage zu leisten. Dies belegt – wieder einmal – ein Bericht aus einer norddeutschen Großstadt. So wie es aussieht, wird die Stadt den Zuschuss für ihr Orchester in Zukunft noch erhöhen müssen, damit zu erwartende Kostensteigerungen aufgefangen werden können.
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Deutschland verfügt über eine große Orchesterlandschaft, die im internationalen Vergleich einzigartig ist. Weltweit wird die Zahl der professionellen Orchester mit klassisch-sinfonischer Besetzung auf rund 560 geschätzt. Fast ein Viertel davon – gegenwärtig über 130 – haben ihren Sitz in Deutschland. Da gibt es mehr als 80 Theaterorchester, 30 Konzertorchester, einige Kammerorchester sowie die Klangkörper der Rundfunkanstalten.
Die Eigenfinanzierung der Orchester ist bescheiden, sie liegt im Durchschnitt zwischen 10 und 20 Prozent; bei sehr renommierten Orchestern können es auch schon mal 30 Prozent sein. Die großen Orchester der Kategorie A haben 99 und mehr Musikerplanstellen, die kleineren Orchester der Kategorie B verfügen über mindestens 66 Planstellen.
Die Stadt zahlt einen jährlichen Zuschuss von 4,5 bis 5 Millionen Euro
Das philharmonische Orchester der hier in Rede stehenden Großstadt wird als GmbH geführt. Die Anteile der Orchester-GmbH werden zu mehr als der Hälfte von der Stadt gehalten, weitere Anteilseigner sind ein eingetragener Verein sowie das städtische Theater. Zu den Aufgaben des Orchesters gehört nach dem Gesellschaftsvertrag die Veranstaltung von Konzerten und Kammermusik, Orchesterdienste für die Musiksparte des Theaters sowie die Nachwuchsförderung.
Das Orchester verfügt über 96 Vollzeitstellen, davon 81 für Musikerinnen und Musiker. Die Stadt unterstützte das Orchester in den letzten Jahren mit Beträgen zwischen 4,5 und rund 5 Millionen Euro. Weiterhin erzielte das Orchester Erträge aus den Diensten für das städtische Theater, das ebenfalls überwiegend aus Steuermitteln finanziert wird. Größter Aufwandsposten des Orchesters sind die Personalaufwendungen, die durchschnittlich 80 Prozent der Gesamtaufwendungen ausmachen.
Die Orchester-GmbH konnte die üblichen Tarifsteigerungen nicht selbst erwirtschaften
Bei Gründung der Orchester-GmbH im Jahr 2002 war geplant gewesen, 87 Stellen für Musikerinnen und Musiker zu finanzieren. Mittel für künftige Tarifsteigerungen sollte die Gesellschaft selbst erwirtschaften. Tatsächlich wurden jedoch nur zwischen 80 und 82 Musikerstellen besetzt. Trotz der geringeren Zahl der besetzten Stellen war die Orchester-GmbH nach einiger Zeit nicht mehr in der Lage, die Mittel für die Tarifsteigerungen selbst zu erwirtschaften. Vielmehr musste die Stadt für die in Frage kommenden Spielzeiten zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 1,6 Millionen zur Verfügung stellen.
Die Vergütung für die Theaterdienste hätte angepasst werden müssen
Bei Musikaufführungen des Theaters wirkt das Orchester mit. Über diese Leistungen haben beide Einrichtungen einen Vertrag mit einer Laufzeit von 5 Jahren geschlossen, der sich regelmäßig verlängert, wenn er nicht gekündigt wird. Der Vertrag sieht vor, dass das Theater der Orchester-GmbH für bis zu 280 Orchesterdiensten je Spielzeit eine Vergütung von pauschal rund 2,6 Millionen Euro zahlt. Eine Anpassung der Vergütung an gestiegene Personalaufwendungen wegen Tarifsteigerungen ist vertraglich nicht vorgesehen. Vor dem Hintergrund, dass die Orchester-GmbH die Mittel für Tarifsteigerungen erwirtschaften sollte, hätte sie den Vertrag kündigen und neu verhandeln müssen. Das geschah aber nicht.
Ungerechtfertigte Prämienzahlungen an die Geschäftsführung
Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers der Orchester-GmbH ist neben einem festen Gehalt auch die Zahlung einer erfolgsabhängigen Jahresprämie vorgesehen. Es wurde jedoch nicht festgelegt, für welche Leistungen eine solche Prämie gezahlt werden sollte. Dennoch erhielt der Geschäftsführer für mehrere Spielzeiten die Jahresprämien. Diese überschritten den nach dem Anstellungsvertrag maximal zu gewährenden Betrag um rund 50 Prozent.
Der Aufsichtsrat der Orchester-GmbH begründete die zusätzlichen Zahlungen mit dem über die Anforderungen hinausgehenden Einsatz des Geschäftsführers, beispielsweise für die zukunftsfähige Ausrichtung des Orchesters. Bei den honorierten Aufgaben handelte es sich jedoch um die reguläre Tätigkeit der Geschäftsführung. Wie inzwischen bekannt wurde, soll in zukünftigen Anstellungsverträgen auf Prämienzahlungen verzichtet werden.
Kostensteigerungen und Ertragsrisiken zeichnen sich ab
Das Eigenkapital der Orchester-GmbH beträgt nur etwas mehr als 200.000 Euro. Damit stehen der Gesellschaft nur geringe Mittel zur Verfügung, um künftige Ertragsrisiken sowie Kostensteigerungen aufzufangen. Zur Sicherung der Liquidität war die GmbH in der Vergangenheit sogar mehrfach auf Vorauszahlungen der Stadt und des Theaters angewiesen. Sollten sich die Kosten nicht reduzieren lassen, müsste die Stadt, um den Betrieb des Orchesters zu sichern, erhebliche zusätzliche Mittel bereitstellen, gegebenenfalls zu Lasten anderer Kultureinrichtungen.
Nun soll die Orchester-GmbH die zur erwartenden Mehrbedarfe und deren Finanzierung zusammenstellen und darlegen, wie sie den Kostensteigerungen und Ertragsrisiken begegnen will. Man kann gespannt sein, ob die Orchester-GmbH es schafft, ihre Erträge zu steigern oder Kostensenkungen durchzusetzen. Wahrscheinlich wird es aber darauf hinauslaufen, liebe Leserinnen und Leser, dass die Stadt wie in der Vergangenheit auch diese Mehrbedarfe übernehmen wird, sagt wenig optimistisch
Ihr
Gotthilf Steuerzahler
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Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar.