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Wirecard: Scholz‘ Spielfilmrolle
Die Pleite des Zahlungsdienstleisters Wirecard weist – so viel schwarzer Humor darf sein – zahlreiche filmreife Elemente auf. Es gibt einen wohl nach Russland geflohenen Vorstand unter Spionageverdacht, bis in das Bundeskanzleramt reichende politische Netzwerke, kriminelle Manager, einen Milliardenschaden für die Aktionäre – und einen Bundesfinanzminister, der vielleicht mehr wußte, als er heute zugeben mag und der auf jeden Fall „unglücklich“ agierte. Weil genau dieser Mann, Olaf Scholz, einer der möglichen SPD-Kanzlerkandidaten ist, werden nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch die Union in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder Salz in die sich auftuenden Wunden streuen. BaFin verfügte Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien Und es gibt etliche Blessuren. Scholz‘ größtes Problem ist derzeit das in 2019 von der dem Finanzministerium nachgeordneten Bankenaufsicht BaFin verfügte Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien. Die Bankenaufseher trauten damals (zumindest aus heutiger Sicht) viel zu sehr den Beteuerungen des Wirecard-Managements, daß die immer wieder aufkommenden Meldungen über Bilanz-Unregelmäßigkeiten (was den Kurs drückte und Leerverkäufe reizvoll machte) jeder Grundlage entbehren würden. Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies (ein ehemaliger Goldman Sachs-Banker) hinterfragten wohl viel zu wenig, was die BaFin in diesem Zusammenhang tat und sie versuchten offenbar auch nicht, Informationen aus erster Hand einzuholen. Stattdessen war Kukies Gast auf der Feier des 50. Geburtstages des Wirecard-Vorstandsvorsitzenden Markus Braun. Worüber und mit wem er dort sprach, ist ungewiß. Die Aussagen hierzu sind schwammig und (Gedächtnis-)Protokolle gibt es nicht. SPD ist bereits im Wahlkampfmodus Weil Scholz einer der möglichen SPD-Kanzlerkandidaten ist, geht nun die während der heißen Phase der Corona- Krise noch demonstrativ gepflegte Einigkeit in der Großen Koalition (GroKo) dahin. Den meisten Unions-Granden ist dabei die gegenwärtige Konzentration auf Scholz sehr recht. Gibt dies den Unionsparteien doch noch ein wenig Zeit bei der Klärung der eigenen Kanzlerkandidatenfrage. In der SPD schaltet man dagegen bereits in den Wahlkampfmodus. Das zeigt sich u.a. im Verhalten des bisher „obersten Scholz-Gegners“ Kevin Kühnert, der kritischen Fragen zu diesem Bereich geradezu ausweicht. Und auch das SPD-Vorsitz-Duo hält den Mund. Das ist ungewöhnlich und taugt noch nicht zum Filmdrehbuch. Aber das kann – und wird – sich bestimmt noch ändern . . . (tb) Die vom Verlag Arbeit und Wirtschaft seit 1951 herausgegebenen ‚Vertraulichen Mitteilungen‘ liefern Ihnen Woche für Woche ausgewählte Informationen aus Politik, Wirtschaft und Geldanlage und sichern Ihnen damit den gerade in der heutigen Zeit so wichtigen Informationsvorsprung. Besuchen Sie uns im Internet unter www.vertrauliche-mitteilungen.de 04.08.2020
Bürger-ID und Sozialkredit-System: Big Brother rüstet sich
Finanzamt, Einwohnermeldeamt, Zulassungsstelle – das sind nur einige Behörden, in denen unsere Daten gesichtet, ausgewertet und letztendlich auch gespeichert werden. Noch geschieht dies von Behörde zu Behörde auf unterschiedliche Art und Weise und vor allem unter verschiedenen Ordnungssystemen. Dies macht die Beantwortung gegenseitiger Behördenanfragen oder gar einen Datenabgleich aufwendig bis kaum möglich. Man kann in Deutschland, das ist die feste Überzeugung auch kritischer Beobachter, deshalb bis zu einem gewissen Grad noch von „freien Bürgern“ sprechen. Kommt die Bürgernummer? Doch nun konkretisieren sich die Pläne der Bundesregierung, die vor einigen Jahren neu konfigurierte Steuernummer („Steuer-ID“) zu einer allgemeinen „Bürgernummer“ zu machen. Das bisher durch Name, Zuname, Geburtstag und -Ort definierte Individuum droht damit zu einer reinen „Nummer“ zu werden. Und es liegt auf der Hand, daß dann auch immer mehr Datenbanken behördenübergreifend vernetzt werden dürften, was überwachungsstaatlichen Zuständen weiteren Vorschub leisten könnte. Vollständige Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit In einem aktuellen Schritt hat nun das von Horst Seehofer (CSU) geführte Bundesinnenministerium ein „Eckpunkte-Papier“ zu einer „verwaltungsübergreifenden ID-Nummer“ entwickelt. So, wie es bereits im sogenannten Koalitionsausschuß Anfang Juni dieses Jahres vereinbart wurde. Probleme sieht hier nun auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber, und zwar „aus verfassungsrechtlichen und aus datenschutzrechtlichen Gründen“, weil damit das Risiko einer „vollständigen Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit“ geschaffen werde. Chinas Sozialkredit-System: Auch bald in Deutschland? Für die fernere Zukunft sehen Datenschutzexperten auch die zunehmende Gefahr eines mit der angestrebten Bürger-ID verbundenen „Social-Ratings“, wie es in der Volksrepublik China ja bereits teilweise praktiziert wird. Wer dort z.B. mit allzu mißliebigen Kommentaren oder gar unerwünschter politischer Betätigung auffällt, läuft Gefahr, im Rahmen des chinesischen „Sozialkredit-Systems“ auf seinem „sozialen Punktekonto“ so viele negative Punkte zu sammeln, daß beispielsweise die Buchung eines Fluges unmöglich wird. Es ist also eine Art „Verkehrssünderdatei“. Nur mit dem Unterschied, daß den Eintragungen keine gesetzlich definierten Verstöße zugrunde liegen müssen, sondern daß bereits ein sozial nicht erwünschtes Verhalten ausreichen kann. Hohe Missbrauchsgefahr Da für Deutschland – gerade im Zusammenhang mit der geplanten „Bürger-ID“ – ähnliche Entwicklungen nicht mehr auszuschließen sind, warnen manche kritische Experten längst vor allzu „offenherzigen“ Einträgen und Kommentaren im Rahmen der „sozialen Netzwerke“ im Internet. Zu groß scheint inzwischen die Gefahr, daß diese den Verfassern einmal angelastet werden könnten – und das Internet „vergißt“ bekanntlich nichts! Mißbrauchsgefahr besteht dabei im übrigen nicht nur von staatlicher Seite her, sondern auch durch privat betriebene Datenbanken. In New York ist es beispielsweise Versicherungsgesellschaften bereits gestattet, die individuelle Prämienhöhe ihrer Kunden auch mit Hilfe der Analyse von Daten aus den sozialen Netzwerken zu ermitteln. (tb) Die vom Verlag Arbeit und Wirtschaft seit 1951 herausgegebenen ‚Vertraulichen Mitteilungen‘ liefern Ihnen Woche für Woche ausgewählte Informationen aus Politik, Wirtschaft und Geldanlage und sichern Ihnen damit den gerade in der heutigen Zeit so wichtigen Informationsvorsprung. Besuchen Sie uns im Internet unter www.vertrauliche-mitteilungen.de 26.07.2020