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Die Bevormundung der Urheber*innen muss aufhören
So nötig eine EU-Urheberrechtsreform war, so wenig stärkt die neue Richtlinie die Position der allermeisten Urheber*innen. Verlegerbeteiligung, Leistungsschutzrecht und Lizenzierungspflicht bedienen die Interessen der Verwerter. Diese dominieren die Verwertungsgesellschaften und bestimmen in Verträgen und Verteilungsplänen, wie wenig von Lizenzzahlungen und Vergütungen bei Urheber*innen ankommt. Ein Kommentar von Henry Steinhau Die EU-Urheberrechts-Richtlinie ist beschlossen. Nun müssen die Mitgliedsstaaten die Regelungen in nationales Recht umsetzen – auch die hart umstrittenen wie die zu Uploadfiltern und Presseleistungsschutzrecht. Medienkonzerne, Verleger- und Produzentenverbände sowie Verwertungsgesellschaften zeigen sich zufrieden. Verbraucherinitiativen, netzpolitische Organisationen, Parteien und Industrieverbände reagieren verärgert. Doch was sagen diejenigen, für die das „Urheberrecht“ gemacht sein sollte – die Urheberinnen und Urheber? Ich bin so ein Urheber. Als Journalist und Autor schreibe ich Artikel, Bücher und Buchbeiträge, ich erstelle Lehrmaterialien und halte Vorträge. Ich lebe von Honoraren, Tantiemen, Vergütungen, die ich für die Verwertung meiner Werke erhalte. Das Urheberrecht ist wichtig für mich. Von dieser EU-Richtlinie bin ich enttäuscht. Ich bin enttäuscht, weil ihre wesentlichen Regelungen die Interessen der Verwerter bedienen und keineswegs die Position der Urheber*innen stärkt. Enttäuscht, weil die Dominanz der Verwerterinteressen dazu führte, essentielle Regelungen für die Urheber aus der längst überfälligen Reform zu streichen oder heraus zu verhandeln – etwa ein Verbot von Total-Buy-out-Verträgen oder eine wirklich offene Text- und Datamining-Schranke. Enttäuscht, weil die unvermeidlichen Uploadfilter wahrscheinlich viel kreatives Potenzial von Urheber*innen neuen Zuschnitts, die das Netz als Werkzeug, Bühne und Lebensraum nutzen, ausbremsen oder in Graubereiche treiben wird. Vor allem aber fühle ich mich als Urheber – wieder einmal – im Stich gelassen. Nicht nur von Politiker*innen, sondern auch von Verbänden und Organisationen, die sich den Verwerterinteressen beugten: Urheberrechtsinitiativen, große Gewerkschaften, viele Fachverbände, in denen Urheber*innen organisiert sind und Verwertungsgesellschaften, denen Urheber*innen als Wahrnehmungsberechtigte angeschlossen sind. Fast alle loben die EU-Richtlinie und bedanken sich bei der Politik. Ihrer Auffassung nach würden Urheber*innen von mehr Lizenzierungen, mehr Vergütungen und größerer Rechtssicherheit profitieren. Das halte ich für eine falsche Einschätzung. Von den Toten erweckte Verlegerbeteiligung Mit ihrem vehementen Einsatz für eine Beteiligung von Verlegern an den Privatkopievergütungen zeigen die Verwerter – allen voran Verlage – ihr wahres Gesicht. Denn mit dieser Regelung soll ihnen Geld zugestanden werden, dass rechtlich ausschließlich den Urhebern zugedacht ist. Dies haben der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof klar definiert – und nicht etwa „in Frage gestellt“, wie VG Wort und Börsenverein des deutschen Buchhandels es gerne suggerieren. Wenn die von den Toten wieder erweckte Verlegerbeteiligung tatsächlich in Deutschland zurückkehrt – der Börsenverein fordert prompt die Umsetzung noch in diesem Jahr – , dürfen die Verwerter wieder einen ordentlichen Schluck aus der Pulle der Urheber*innen nehmen, sogar ohne um Erlaubnis fragen zu müssen. Hier wird uns Urheber*innen nichts gegeben sondern genommen – und das im Namen des Urheberrechts. Das ist verlogen und dreist. Die revisionierte Verlegerbeteiligung stärkt meine Position als Urheber mitnichten – im Gegenteil. Leistungsschutzrecht – ein reines Verwerterrecht? Beim nun auf die gesamte EU zukommenden Leistungsschutzrecht reden die Presseverleger gerne von ihren Leistungen, deretwegen ihnen Vergütungen zustünden. Und dass sie die Urheber natürlich daran beteiligen würden. Doch in den drei Jahren, die das Leistungsschutzrecht in Deutschland in Kraft ist, passierte nichts dergleichen: Bei den Urheber*innen landete Nullkommanichts. Erstens, weil die VG Media so gut wie keine Erträge aus dem Presseleistungsschutzrecht erzielte und viel Geld in juristische Auseinandersetzungen steckte, zweitens weil Google eine Gratiserlaubnis erhielt und somit nichts zahlt, drittens weil die VG Wort, mit denen die wahrnehmungsberechtigten Autor*innen und Redakteur*innen Verträge haben, keinerlei Vereinbarungen mit der VG Media hat – zumindest sind keine bekannt. Gleichwohl haben die Verleger nun dieses Leistungsschutzrecht auf EU ausgeweitet bekommen – aber werden sie es auch ausweiden? Und wenn ja, werden jemals Vergütungen an die Urheber*innen ausgeschüttet? Womöglich sogar in angemessener Höhe? So wie es bisher gehandhabt wurde, stellt sich das Leistungsschutzrecht als reines Verwerterrecht dar. Daher hege ich großes Mißtrauen, dass es mir als Urheber Vergütungen einbringt oder meine Position stärkt. Lizenzierungspflicht als üppig sprudelnde Vergütungsquelle – für wen? Mit der EU-Richtlinie sollen nun weitere Vergütungsquellen hinzukommen. Insbesondere die großen Internetplattformen, wie Youtube, Facebook und andere Intermediäre mit nutzergenerierten Inhalten, sollen mittels der neuen Lizenzierungspflichten Gebühren in großen Umfängen entrichten. Und damit sollen angeblich die Vergütungen für Urheber*innen sprudeln. Auch hier hege ich große Zweifel: Wenn solche Lizenzeinnahmen entweder direkt an Verwerter fließen oder über Verwertungsgesellschaften eingenommen werden, dann bestimmen die Verwerter, wie viel oder besser gesagt, wie wenig bei Urheber*innen ankommt. Auf der einen Seite handeln sie bei direkten Lizenzgeschäften als Rechteinhaber und können ihre Interessen in den Mittelpunkt stellen. Was dabei herauskommt, zeigen beispielsweise die Deals von Musikstreamingdiensten, wie Spotify, Amazon, Youtube und anderen: Für die Künstler*innen sind Beteiligungen im Promillebereich üblich – und alles andere als angemessen. Auf der anderen Seite sollen für die Internetplattformen auch die Verwertungsgesellschaften als Ansprechpartner für Lizenzierungen dienen: Für die Rechte an ganzen Katalogen großer Medienkonzerne, für direkte Lizenzen kleiner oder einzelner Anbieter oder auch für Pauschallizenzen von Werken, die noch nicht bei Verwertungsgesellschaften gelistet sind, also von Verbrauchern, Bloggerinnen, Instagrammern – also den oft als „Prosumer“ bezeichneten Hobby-Urheber*innen. Ob solche pauschalen oder auch die neuen „erweiterten kollektiven Lizenzen“ europarechtlich umsetzbar sind, bewerten Rechtswissenschaftler kritisch. Die Schlüsselrolle der Verwertungsgesellschaften So oder so kommt den Verwertungsgesellschaften bei den neuen Regelungen eine Schlüsselrolle zu. Sie könnten den Griff in die Taschen der Urheber*innen verhindern. Sie könnten mit ihren Verteilungsplänen dafür sorgen, dass jetzigen und zukünftigen Urheber*innen weniger oder gar keine Vergütungen abgezwackt würden – wenn sie denn wollten. Genau das wissen die Verwerter – und haben sich eine Machtposition in den Verwertungsgesellschaften aufgebaut, mit der sie die Position der Urheber*innen dort und insgesamt schwächen. Zwar befinden sich die Verwerter in den Verwertungsgesellschaften nominell in der Minderheit, aber praktisch ist ihr Einfluss und ihre Macht in den (Mitbestimmungs-)Gremien festgeschrieben. In der VG Wort geschieht dies beispielsweise durch ein vertracktes Kuriensystem, das es sehr schwer macht, Satzungsänderungen und eben auch strategische Verteilungsentscheidungen durchzusetzen. Verwertungsgesellschaften berufen sich gerne darauf, dass sich nur dank der mächtigen Verwerter verhandeln, erstreiten und lobbyieren lasse, was den Urheber*innen zugute komme. Dazu gehörten zum Beispiel die Höhe der Vergütungsabgaben von Geräteherstellern oder eben Lizenzen von großen Internetplattformen, Suchmaschinen und Intermediären. Auch heißt es häufig, dass sich Buchverlage, Zeitungsverlage und andere große Verwerterunternehmen sich und ihre Verhandlungsmächte aus den Verwertungsgesellschaft zurückziehen würden, wenn sie weniger oder gar keine Vergütungen mehr bekämen. Wenn die Medienunternehmen die Verwertungsgesellschaften verließen – was wäre das für eine Haltung? Was würde es aussagen, wenn sie sich in einer gemeinsamen, ja, solidarischen Verwertungsgesellschaft nur dann einbringen und nur dann der eigenen Leistungen für Urheber*innen brüsten, wenn sie selbst mehr als reichlich von den Vergütungen abbekommen? Offenbarten die Verwerter dann nicht, wie wenig sie wortwörtlich für ihre Urheber*innen übrig haben? Und selbst wenn: Allen Verwertungsgesellschaften zusammen sind viele, viele Hunderttausend Urheber*innen als Wahrnehmungsberechtigte angeschlossen. Warum sollten diese Verwertungsgesellschaften der Hunderttausenden denn – ob nun mit oder ohne Verwertern als „Bestimmer“ – nicht die Kraft aufbringen, gute Juristen zu finanzieren, die mit Geräteherstellern und Händlern hart verhandeln? Warum sollten sie nicht in der Lage sein, gute Lobbyisten zu haben, die vor allem die Interessen ihrer urhebenden Wahrnehmungsberechtigten in Berlin und Brüssel vertreten? Die Urheber*innen sind die vielen – und es könnten noch viel mehr werden Im übrigen gehören zu den Urheber*innen Freie und Festangestellte, Pauschalisten und Nebenbei-Urheber, semiprofessionelle wie Saison-Urheber. Und womöglich kommen nun noch viele weitere dazu: Youtuber, Bloggerinnen, Influencer, Podcaster, Instagrammer und, und, und. Sie alle sind Urheber, weil sie fotografieren, filmen, remixen, bloggen, schreiben, podcasten, posten, posten, posten. All das ist urheberrechtlich relevant, all das soll auf betreffenden Plattformen lizenzpflichtig und vergütet werden. Jeder soll seine Vergütungen einfordern und ausgeschüttet bekommen, niemand kann abgewiesen werden. Nur zu, würde ich sagen. Mögen sich die Verwertungsgesellschaften auf einen Ansturm auf ihre Melde- und Ausschüttungssysteme gefasst machen, vielleicht auch auf ihre Mitbestimmungs-/Gremien und ihre verstockte Art, mit Kritik und Reformvorschlägen umzugehen. Und vielleicht sollten sie auch darüber nachdenken, wie lange eine von Verwerterinteressen geleitete Verteilungspraxis angesichts der geplanten Pauschallizenzen, auch und gerade für Verwerter-unabhängige Urheber*innen noch zu halten ist. Wer steht den Urheber*innen zur Seite? Die für Urheber zuständigen Gewerkschaften und Verbände, aber auch Urheberrechtsinitiativen und Verwertungsgesellschaften zeigten im Zuge der EU-Reform, dass sie im Zweifel auch mit Verwertern und deren Interessenverbänden zusammengehen. Dabei nehmen sie in Kauf, die Position vieler Urheber*innen zu bestimmten Punkten eben nicht zu nicht stärken. Sie schieben Beststeller-Autorinnen und Stars, Vielverdiener und Prominente aller Urheberrechts-Genres vor, die dafür einstehen, dass die Reform Fortschritte brächte. Das mag für diese auch stimmen. Die große Masse der mittel und klein verdienenden Urheber*innen – auch fest angestellte und pauschal gebundene – befindet sich aber in einer anderen Position. Sie werden viel zu oft durch unfaire Verträge bevormundet und mit mageren Vergütungen abgespeist, haben in Verwertungsgesellschaften wenig zu melden und können sich kaum gegen miserable Vertragsbedingungen wehren. Diese Bevormundung durch unfaire Verwerter im Namen des Urheberrechts muss aufhören. Und mit dieser Ansicht stehe ich hoffentlich nicht alleine. Wo auch immer Urheber*innen tätig sind, wie auch immer sie beruflich gestellt sind – es gibt gemeinsame Interessen, abseits ihrer schöpferischen, finanziellen, sozialen, kulturellen und intellektuellen Unterschiede. Darauf mögen sie sich besinnen. Die Menge der originären Urheber*innen mit originären Interessen ist groß, ihre Vielfalt auch. Der jüngste Protest gegen Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform, bei dem die Youtube-Generation und neue Urheber*innen auf die Straße gingen, war laut und bunt. Wie wäre es deshalb mit einem neuen, großen Bund für alle Urheber*innen? Dieser Artikel ist unter der Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung Lizenz 2.0 Germany am 18.04.2019 auf irights.info erschienen. Der Autor ist Henry Steinhau.
Worum es beim Streit um Uploadfilter und Leistungsschutzrecht geht
Auch nach dem Kompromiss zur neuen EU-Urheberrechtsdirektive geht der Streit weiter – in der EU wie auch unter Interessenvertretern. Insbesondere die zu erwartenden Uploadfilter und das Presse-Leistungsschutzrecht sorgen für Kontroversen. In rund vier Wochen entscheidet die finale Abstimmung des EU-Parlaments. Die EU-Richtlinie für ein neues digitales Urheberrecht steht. Nach jahrelangen Vorarbeiten und zuletzt monatelangen (Trilog-)Verhandlungen zwischen EU-Kommission, -Rat und -Parlament liegt eine Fassung vor, die der Rat bereits verabschiedete und über die nun noch die EU-Parlamentarier abstimmen müssen. Wie fast nicht anders zu erwarten, sind nicht alle glücklich über den Vorschlag. Für Kontroversen sorgt vor allem die neue Haftung für Plattformbetreiber bei Urheberrechtsverletzungen, die in Artikel 13 der Reform formuliert ist. Sie wird unter dem Stichwort Uploadfilter vor allem von der Netzcommunity, aber auch von der Internetwirtschaft kritisiert, während viele Verwerter- und Urheberverbände sie verteidigen. Wieso wird das EU-Urheberrecht reformiert? Die letzte größere Reform des Urheberrechts auf EU-Ebene fand 2001 statt: Die Richtlinie 2001/29/EG zur „Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“. 2001 gab es Internet zwar schon, aber noch kein Facebook, Youtube oder Spotify. Google hatte erst fünf Jahre vorher angefangen. Napster führte das Filesharing in die Jugendzimmer ein und bereitete der Musik- und Filmindustrie ernsthaftes Kopfzerbrechen. Es hat sich viel verändert. Ein neues Urheberrecht soll diese Veränderungen reflektieren. Um einen digitalen Binnenmarkt zu etablieren, muss außerdem die rechtliche Situation in den Mitgliedsstaaten einander angeglichen werden. Das ist das erklärte Ziel der EU-Politik, allen voran des gegenwärtigen Kommissars für den digitalen Binnenmarkt, Andrus Ansip. Da die EU-Mitgliedsstaaten unterschiedliche Vorstellungen und Interessen haben, eine Harmonisierung des Urheberrechts viele länderspezifische Regelungen überwinden muss und zudem auch die Befindlichkeiten von Wirtschaft und Zivilgesellschaft berücksichtigt werden sollen, dauert der Prozess nun schon einige Jahre an. Was sind die wichtigsten Punkte der EU-Urheberrechtsreform? Viele Reformbemühungen der EU zielen darauf, den Binnenmarkt voranzutreiben. So haben zum Beispiel die jüngst veranlassten Verordnungen zu Portabilität und Geoblocking das Ziel, Nutzer*innen in der EU zu ermöglichen, dass sie Video- und Audioinhalte grenzüberschreitend anschauen können. So sollen Kund*innen von Streaming-Services diese auch außerhalb des Landes, wo sie sie gekauft haben, nutzen können. Auch mit der nun erarbeiten „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ (PDF in der englischen Fassung vom 20.2.2019) will die EU den Binnenmarkt stärken, in dem sie Regulierungen für alle Mitgliedsländer angleicht. Dazu gibt es unter anderem folgende Regelungen: Die Situation für Studierende und Lehrende soll erleichtert werden, damit sie Lehrmaterialen digital nutzen können. Eine in Deutschland bereits eingeführte Ausnahmeregelung für Text- und Data-Mining von Forschungsorganisationen zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung soll EU-weit gelten. Einrichtungen des Kulturerbes soll es erlaubt sein, digitale Kopien von Werken aus in ihren Sammlungen anzufertigen, um sie zu erhalten oder online zu stellen. Urheber*innen sollen mehr Rechte gegenüber Verwertern erhalten, etwa einen Auskunftsanspruch, wie ihre Werke verwertet werden, oder einen Anspruch auf nachträgliche Vertragsanpassungen. Auch diesen Artikeln gibt es Kritik: etwa dass es bei der Text- und Data-Mining-Erlaubnis zu viele Einschränkungen gebe oder dass Verwertern verboten wird, Total-Buy-out-Verträge mit Urhebern abzuschließen, wie es in einem früheren Entwurf vorgesehen war. Zu Unmut bei Urheber*innen führt auch die geplante Erlaubnis der Beteiligung von Verlegern an gesetzlichen Kopiervergütungen. Diese ist in Deutschland seit 2016 nicht mehr zulässig. Besonders heftigen Streit gibt es aber vor allem um zwei Regelungen: Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage und die Haftung für Urheberrechtsverletzungen für Plattformbetreiber. Kritiker befürchten, dass die neuen Haftungsregeln direkt dazu führen, dass Anbieter wie Youtube/Google, Facebook und andere flächendeckend Uploadfilter installieren müssen. Beide Regelungen könnten Auswirkungen auf die Veröffentlichungs- und Meinungsfreiheit haben, die für viele das freie und offene Internet ausmacht. Wieso reden alle von Uploadfiltern? Das steht doch gar nicht im Text. Bei der Diskussion über Uploadfilter geht es eigentlich um die Frage, wer für illegal hochgeladene Inhalte haftet. Bisher müssen Plattformbetreiber wie Youtube, aber auch Wikipedia oder kleinere Anbieter von nutzergenerierten Inhalten, diese erst von ihrer Plattform nehmen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Mit dem neuen Artikel 13 der Reform wären sie dazu gezwungen, solche Inhalte vorher schon abzufangen – oder im Vorfeld Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern abzuschließen. Ersteres geht aber nur durch ein automatisiertes Erkennungssystem – also Uploadfilter –, zweites ist gerade für kleine Anbieter so teuer, dass sie es nicht leisten können. Und auch sie müssten – dann erst recht – alle hochgeladenen Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen prüfen. Die erwähnten Uploadfilter existieren bereits – und werden auch eingesetzt, allen voran Youtubes „Content ID“-System. Dabei scannt Youtube alle hochgeladenen Inhalte automatisiert und entscheidet anhand eines Vergleichs mit einer riesigen, ständig wachsenden Datenbank, ob der Inhalt urheberrechtlich geschützt ist. Die Rechteinhaber können bei Youtube hinterlegen, was dann geschehen soll: Soll der Inhalt ganz gesperrt werden; darf er veröffentlicht, aber über Werbung monetarisiert werden? Hört sich doch gut an, wo ist das Problem? Content ID kann nicht unterscheiden zwischen legitimer Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten, wie etwa Zitaten, freier Benutzung oder Satire, und urheberrechtlich relevanter Nutzung – für die die Rechteinhaber tatsächlich ein Schutzrecht einfordern können. Kleine Anbieter wären darauf angewiesen, solche Filtersysteme von großen Firmen zu lizenzieren – nicht jeder kann so etwas selbst entwickeln. Das wiederum könnte große Anbieter stärken und zu einer Monopolisierung führen, wie auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnt. Die Befürworter der Regelung entgegnen, dass es Beschwerdemöglichkeiten geben soll, damit sich Nutzer*innen gegen unrechtmäßige Sperrungen wehren können. Außerdem sehe die Richtlinie in Artikel 13 Ausnahmen vor, unter anderem für Memes und Parodien sowie für Plattformen, die jünger als drei Jahre sind, weniger als 10 Millionen Euro Umsatz machen und weniger als 5 Millionen Besucher pro Monat haben. Diese Regelungen werden von Kritiker*innen jedoch als nicht ausreichend beurteilt. Schon jetzt sperrt Youtubes Content-ID-System immer wieder Inhalte unrechtmäßig – Nutzer*innen müssen dann viel Zeit und Energie investieren, um die Inhalte wieder zugänglich zu machen. So merkt das System offensichtlich nicht, dass eine Beethoven-Aufnahme, die schon vor mehr als 70 Jahren entstanden ist und auf der keine Schutzrechte mehr liegen, frei zugänglich sein müsste. Worum geht es beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage? Einige Verlage von Presseerzeugnissen – Magazine, Tageszeitungen und andere journalistische Produkte – möchten, dass Suchmaschinen und Aggregatoren, die selbst keine journalistischen Inhalte erstellen, aber vorhandene sammeln und zugänglich machen, für diese Leistung bezahlen. Dabei geht es vor allem um die Nutzung von Links, Überschriften und kurzen Zusammenfassungen (sogenannten Snippets). Leistungsschutzrechte für Presseverleger gibt es in Deutschland schon seit 2013. Sie sollen über die Reform EU-weit in ähnlicher Ausprägung eingeführt werden. Dabei sind sie hierzulande nicht wirklich ein Erfolgsmodell: Google hat mit den meisten Presseverlegern Vereinbarungen getroffen, dass sie ihre Inhalte kostenlos hergeben und Google damit keine Vergütungen für das Leistungsschutzrecht zahlen muss. In Spanien, wo ebenfalls ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger existiert, hat Google sein Angebot „Google News“ eingestellt, weil eine solche Einigung nicht möglich war. Eine Befürchtung ist, dass wenn ein solches Recht EU-weit eingeführt wird, auch andere, kleinere Anbieter unter dieses Gesetz fallen und abgemahnt werden können, wenn sie auf Inhalte aus Presseerzeugnissen verweisen, beispielsweise Blogs. Zusammenfassend gesagt könnte diese Regelung auch in der EU so nutzlos bleiben, wie sie bisher in Deutschland ist. Gleichwohl könnte sie für Verunsicherungen und Selbstzensur sorgen. Wie geht es jetzt weiter? Nachdem am 20. Februar im Europarat 21 von 28 Regierungen für den Entwurf stimmten, darunter auch Deutschland, votierte vor wenigen Tagen auch der zuständige Rechtsausschuss dafür. Nun müssen noch die 751 Parlamentarier*innen des Europaparlaments ihre Stimme abgeben, was laut Parlamentskalender entweder vom 25. bis 28. März, am 4. April oder vom 15. bis 18. April stattfindet. Das Plenum kann dem Gesetz qua Mehrheit zustimmen oder es komplett ablehnen – oder nochmals Änderungen einbringen. Etwa solche, die sich auf die umstrittenen Artikel 11 und 13 beziehen. In diesem Fall läge es wiederum in den Händen des EU-Rats, wie es weiter geht: Er kann das Gesetz mitsamt den Änderungen des Parlaments in Kraft setzen oder auch ohne die strittigen Artikel – oder aber die Novelle ganz aussetzen bis nach der Europawahl Ende Mai. Weil dann jedoch Parlament und Gremien neu besetzt sein werden, dürfte ein erneuter Anlauf einige Zeit in Anspruch nehmen. Dieser Artikel "Worum es beim Streit um Uploadfilter und Leistungsschutzrecht geht" ist unter der Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung Lizenz 2.0 Germany am 27.02.2019 auf irights.info erschienen. Die Autoren sind Valie Djordjevic und Henry Steinhau.