Menu Menu
Tesla: Luftschloss in Grünheide?
Als der US-amerikanische Autobauer Tesla im vergangenen Herbst seine Pläne für den Bau einer Fabrik im brandenburgischen Grünheide öffentlich machte, kannte der mediale Jubel keine Grenzen. Man träumte von 12 000 Mitarbeitern, die jährlich bis zu 500 000 Autos bauen könnten. Jetzt liegen den Behörden die ersten Antragsunterlagen vor, in denen allerdings nur noch von etwa 4000 Stellen und einer Jahreskapazität von 150 000 Fahrzeugen die Rede ist. Und auch dieser Wert scheint manchen Branchenkennern viel zu hoch und optimistisch. Wo sollen die geplanten 150.000 E-Autos abgesetzt werden? Denn Tesla setzte im vergangenen Jahr weltweit gerade einmal gut 360 000 Fahrzeuge ab und auf welch geringe Nachfrage reine Elektrofahrzeuge in Deutschland stoßen können, zeigt der bisherige Mißerfolg, den Mercedes mit seinem „EQC“ erlitt (vgl. „Vertrauliche“ vom 14.1.2020, Tz. 1). Die frühere Aussage, daß das Werk in Grünheide vor allem den deutschen und europäischen Markt bedienen soll, erscheint vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig und führt zu der weitergehenden Frage, wo die dort produzierten Fahrzeuge denn abgesetzt werden sollen? Tesla: ohne Gewinn, dafür mit hohem Kapitalbedarf Kritiker gaben in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, daß Tesla bisher noch keinen einzigen Dollar verdient hat und daß deshalb der anhaltend hohe Kapitalbedarf – nicht nur für Investitionen, sondern auch zur Deckung von Verlusten – bisher im Wesentlichen nur durch die Herausgabe immer neuer Aktien bedient werden konnte. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie lange die internationalen Investoren hier noch geduldig einzuzahlen bereit sein werden. Und selbst wenn es tatsächlich zur Neueinstellung von bis zu 4000 Arbeitskräften kommen sollte, könnte der deutsche Arbeitsmarkt hiervon eventuell weitaus weniger als erhofft profitieren. Bisher sind jedenfalls gerade einmal 35 Stellen ausgeschrieben, und dies auch nur in englischer Sprache. Darunter die eines Personalreferenten („Recruiter“), der neben deutsch und englisch auch polnisch sprechen soll. Polen ist nur 60 km entfernt Nur zur Erinnerung: Grünheide liegt lediglich 60 Kilometer von Polen entfernt, wo die Industrie-Löhne nur bei einem Fünftel der deutschen Werte liegen. Ohne dies an dieser Stelle tarifrechtlich beurteilen zu können, liegt schon der Verdacht nahe, daß man bei Tesla hofft, auch in Deutschland vom niedrigen Lohnniveau im benachbarten Polen profitieren zu können. Die Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt könnten also auch von daher geringer ausfallen als erhofft. (tb) Die vom Verlag Arbeit und Wirtschaft seit 1951 herausgegebenen ‚Vertraulichen Mitteilungen‘ liefern Ihnen Woche für Woche ausgewählte Informationen aus Politik, Wirtschaft und Geldanlage und sichern Ihnen damit den gerade in der heutigen Zeit so wichtigen Informationsvorsprung. Besuchen Sie uns im Internet unter www.vertrauliche-mitteilungen.de
Daimler: Das EQC-Desaster
Geht es nach den offiziellen Verlautbarungen von Politik und Wirtschaft, soll die offenbar angestrebte Wende zum (Akku-)Elektroauto von der deutschen Automobilindustrie vielleicht nicht anstrengungslos zu bewältigen sein, aber sie sei immerhin möglich. Die besorgten Gesichter bei vielen Unternehmensführern im Zuliefererbereich lassen jedoch Böses erahnen und nähren den Verdacht, daß der von den „Autobossen“ zur Schau gestellte Optimismus nichts anderes sein dürfte als das bekannte „Pfeifen im dunklen Wald“. Mercedes EQC für mindestens 70.000 EUR In dieses Bild passen nun die bisherigen Zulassungszahlen des ersten rein elektrischen Autos des Stuttgarter Premiumherstellers Daimler. Der „EQC“ genannte Mercedes wird bereits seit Mai 2019 zu Preisen jenseits von 70.000 € angeboten und wurde deshalb von willfährigen Journalisten bereits als Deutschlands Antwort auf den US-amerikanischen Tesla bezeichnet. Tatsächlich sieht man den neuen „EQC“ bereits allenthalben – im Werbefernsehen, auf Kinoleinwänden oder auch großen Plakaten. Doch auf der Straße sieht man ihn nicht. Das kann nicht verwundern, denn die bisherigen Zulassungszahlen sind grottenschlecht. Sie sind so schlecht, daß der Stuttgarter Autobauer hierzu keine Auskunft gibt und sagt, man könne die Zulassungszahlen nicht über das bekannt gegebene Maß hinaus aufschlüsseln. Und auch im Kraftfahrt-Bundesamt, dem jede einzelne Neuzulassung in Deutschland mit einem umfangreichen Datensatz gemeldet wird, drückte man sich zunächst vor einer klaren Antwort. 19 und kaum mehr als 50 Neuzulassungen Schließlich kam die Wahrheit heraus: Im November 2019 kam die neue elektrische Mercedes-Baureihe gerade einmal auf 19 Neuzulassungen, so daß sich die Gesamtzahl der in Deutschland zugelassenen „EQC“-Modelle Ende November auf gerade einmal etwas mehr als 50 Fahrzeuge belief. Der „GLC“, das Verbrennungsmotor-Pendant zum „EQC“, kam im November dagegen auf mehr als 4500 Neuzulassungen. Der in Bremen – also am Standort der früheren Borgward-Werke – produzierte „EQC“ könnte damit zum größten Reinfall in der Mercedes-Firmengeschichte werden. Natürlich kann die tatsächliche Entwicklung in den kommenden Jahren nicht mit völliger Sicherheit vorhergesagt werden. Doch die Gefahr, daß mit der Automobilindustrie die nach wie vor wichtigste deutsche Schlüsselindustrie gewissermaßen vor die Wand fährt, ist ungebrochen und so hoch wie nie zuvor. Die Entindustrialisierung unseres Landes, die noch zu heftigem Arbeitsplatzabbau führen kann, schreitet voran. (tb) Die vom Verlag Arbeit und Wirtschaft seit 1951 herausgegebenen ‚Vertraulichen Mitteilungen‘ liefern Ihnen Woche für Woche ausgewählte Informationen aus Politik, Wirtschaft und Geldanlage und sichern Ihnen damit den gerade in der heutigen Zeit so wichtigen Informationsvorsprung. Besuchen Sie uns im Internet unter www.vertrauliche-mitteilungen.de