Seit dem Jahr 2015 (dem letzten Höhepunkt der Griechenland-Krise) pumpte die Europäische Zentralbank (EZB) 2,6 Billionen Euro in den Geldkreislauf, um die Wirtschaft zu stimulieren. Der dabei Hauptverantwortliche, EZB-Präsident Mario Draghi, wird die Bank nun im November verlassen – und die meisten Staaten der Eurozone dürften dann nach nur fünf Jahren in eine erneute Rezessionsphase gestürzt sein. Die Sparer werden auch dann noch immer auf marktgerechte und ihr erarbeitetes Vermögen bewahrende Zinsen verzichten müssen und immer höhere Handelsbarrieren, der Wachstumsrückgang in China und die mit dem Brexit verbundenen Risiken haben längst für ein frostiges Geschäftsklima gesorgt.
Die politischen Konsequenzen sind absehbar, insbesondere für Frankreich und Deutschland: Noch vor einem halben Jahr stärkte eine gute Konjunkturlage Emmanuel Macron und Angela Merkel den Rücken – nun bläst beiden der Wind ins Gesicht. Während in Frankreich die Sorgen vor einer neuen Rezession zunehmen, steckt Italien längst darin. Und dies zum dritten Mal seit 2008. Und auch wenn es der Wirtschaft in den letzten Jahren gut ging, erreichte das Land höchstens Wachstumsraten, die zum Kaufkraftausgleich taugten. Echtes Wachstum wurde in Italien zuletzt in den 1980er Jahren erzielt, und auch damals nur aufgrund massiver staatlicher Ausgaben programme, in deren Folge die Staatsschulden schnell wuchsen.
Die italienischen Wachstumshemmer heißen Bürokratie, Überregulierung und zu hohe Steuern. Hinzu kommen Staatsausgaben, die das Budget mit schöner Regelmäßigkeit sprengen. Hierzu zählen auch im EU-weiten Vergleich üppige Rentenund Pensionszahlungen. Und statt auf die auch in Italien gestiegene Lebenserwartung (und damit Renten bezugsdauer) mit angemessenen Maßnahmen zu reagieren, beschloß man in Rom nun sogar eine Senkung des Renteneintrittsalters, was das Staatsbudget (im weiteren Sinne, wenn man auch die Rentenversicherung etc. dazurechnet) mit jährlich weiteren 20 Mrd. € belasten wird, die eigentlich nicht vorhanden sind. Nötig wären stattdessen Haushaltskürzungen, Steuerentlastungen, eine Reform des Schulwesens und der Justiz sowie die Ermöglichung echten wirtschaftlichen Wettbewerbs auf allen Ebenen.
Doch genau dabei möchte Italiens politische Klasse (praktisch jeder Couleur!) nicht mitspielen. Nicht zuletzt deshalb nimmt inzwischen das Mißtrauen der Geldanleger gegenüber dem italienischen Staat zu, weshalb die Zinsen für dessen Staatsanleihen bereits gestiegen sind. Sollte es bei den italienischen Staatsfinanzen zu einer gefährlichen Schieflage kommen, das ist weitgehend sicher, würde diese das Ausmaß jeder bisherigen Euro-Krise bei weitem übersteigen. Dann würde sich wieder einmal die teilweise Fehlkonstruktion des Euro-Währungsverbundes rächen, bei der „schwächelnde“ Staaten nicht zum Maßhalten bewegt, sondern geradezu eingeladen werden, sich – letztlich zu Lasten der etwas seriöser wirtschaftenden Länder – immer weiter zu verschulden.
Obwohl den europäischen Regierungen die Bruchstücke ihrer Politik immer schmerzhafter auf die Füße fallen, sind doch die meisten politischen Kräfte fest von ihrer „Weisheit“ und ihrer Fähigkeit überzeugt, den Zustand der Welt in z.B. 30 Jahren recht genau vorherzusehen und beschreiben zu können. In vielen Fällen ist dabei alleine der Wunsch Vater des Gedankens, um nicht – was manchmal weitaus zutreffender wäre – gleich von Ideologie zu sprechen. „Es ist, als hätte es die ‚DDR‘ nie gegeben“, faßte kürzlich die deutsche Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld im „Tagesspiegel“ ihre Sicht der Dinge zusammen. Leider kann man dem kaum mehr widersprechen. (tb)
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