Verbraucher bekamen die Inflation in den vergangenen Jahren deutlich zu spüren. Lebensmittel, Energiepreise und Mieten unterlagen enormen Steigerungen, die eine Belastung für das Haushaltsbudget darstellten.
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In der langfristigen Betrachtung über mehrere Jahrzehnte hinweg, besteht jedoch die Einschätzung, dass die meisten Güter günstiger geworden sind. Dabei sorgen vor allem wachsende Reallöhne für einen höheren Wohlstand und erlauben einen größeren Spielraum im Budget.
Im Mittelpunkt der Inflation standen neben den Mietpreisen auch die Kosten für die Immobilienfinanzierung. Nachdem die Nullzinspolitik der EZB zunächst für günstigere Finanzierungsmöglichkeiten gesorgt hatte, stellte diese ebenso die Grundlage für eine rasante Steigerung der Immobilienpreise dar. Der höheren Nachfrage stand kein ausreichendes Angebot gegenüber, sodass Wertsteigerungen im zweistelligen Bereich pro Jahr auftraten.
Fraglich ist, wie generationsübergreifend sich die Finanzierungssituation verändert hat. Sind Immobilien heutzutage günstiger und einfacher zu finanzieren als noch vor wenigen Jahrzehnten?
Dieser Frage ist die Studie zur Erschwinglichkeit von Immobilien des Wohnportals Wohnora.de auf den Grund gegangen. Sie kam zum Ergebnis, dass der Bau von Immobilien heutzutage eine höhere Belastung darstelle und weniger erschwinglich sei. Ein durchschnittlicher Haushalt müsse wesentlich länger sparen und könne sich den Traum vom Eigenheim erst im späteren Lebensabschnitt verwirklichen als noch in den 1970er Jahren.
Im Detail sehen die Ergebnisse der Studie wie folgt aus.
Entwicklung der Reallöhne
Zur Betrachtung der Erschwinglichkeit von Immobilien ist das Verhältnis des Einkommens zu den Kosten wesentlich. Denn über die Jahre ist zwar ein Anstieg der Preise zu erwarten, doch könnte dieser durch Einkommenszuwächse kompensiert werden.
Im Durchschnitt sind die Reallöhne tatsächlich seit den 1970er-Jahren gestiegen. Sie befinden sich heute auf einem wesentlich höheren Niveau, sodass dies für einen größeren Wohlstand spricht. Die Produktivität hat stetig zugenommen, was sich positiv auf das Einkommen der Arbeitnehmer auswirkt.
Allein die durchschnittlichen Reallöhne zu betrachten, ist für die Entwicklung der Erschwinglichkeit allerdings wenig präzise. So argumentiert die Studie, dass das Residualeinkommen eine bessere Grundlage darstelle. Dieses gibt an, wie viel den Haushalten nach Abzug der Wohnkosten noch zur Verfügung stehe. Daraus erfolgt eine detaillierte Einschätzung darüber, wie viel Kapital zur Deckung der Lebenshaltungskosten und zum Sparen verbleibe.
Das reale Residualeinkommen ist ebenfalls gestiegen. Allerdings wirken sich die höheren Mietpreise deutlicher auf die Budgets der Haushalte aus. So nehmen die Wohnkosten einen größeren Anteil ein und insbesondere in Großstädten verbleibt kaum ein nennenswerter Spielraum, um Rücklagen zu bilden.
Ebenso ist eine größere Lücke bei der Einkommensungleichheit zu erkennen. Niedrigere Einkommen profitierten im geringeren Ausmaß von den Lohnsteigerungen im Vergleich zu höheren Einkommensklassen.
Anstieg der Gesamtkosten führt zu geringerer Erschwinglichkeit
Ein Anstieg der Reallöhne müsste unter ansonsten gleichen Voraussetzungen dazu führen, dass der Bau einer Immobilie erschwinglicher wäre. In der Praxis werden die Zuwächse allerdings von mehreren Kostenpunkten mehr als nur neutralisiert. Folgende Faktoren spielen dabei die größten Rollen.
Baukosten
Der reale Baupreisindex hat sich seit den 1970er-Jahren mehr als verdoppelt. Dies hat zur Folge, dass der Bau des identischen Hauses heute mit mehr als den doppelten Baukosten einhergeht. Treiber waren hierbei insbesondere die Materialpreise sowie die Lohnkosten. Angesichts des stärkeren Wachstums der Schwellenländer und der Nachfrage nach Baumaterialien sind die Preise unverhältnismäßig gestiegen.
Energieeffizienz
Weiterhin sind laut der Studie die Erfordernisse an die Energieeffizienz ein Preistreiber. Moderne Immobilien sind darauf ausgelegt, möglichst wenig Energie zu verlieren. Die Wände sind stärker gedämmt, über Fenster darf weniger Wärme entweichen und die Heizsysteme sind wesentlich komplexer. So sind heutige Immobilien zwar im Unterhalt günstiger, aber der Bau ist zunächst mit Mehrkosten verbunden.
Nebenkosten
Für weitere Steigerungen sorgen die Kaufnebenkosten. Die Grunderwerbsteuer sowie Notargebühren sind gestiegen und gehen mit einer Mehrbelastung einher. In Summe sorgt dies für eine deutliche Steigerung der Gesamtkosten für den Bau einer Immobilie.
Veränderte Vorzeichen für den Hausbau
Die Gesamtkosten sind zwar gestiegen, doch ist im Rahmen der Finanzierung auch die Zinsentwicklung relevant. Denn Immobilien werden in der Regel nicht komplett aus den Ersparnissen bezahlt, sondern zu einem wesentlichen Teil über ein Darlehen.
Hierbei zeigt sich ein Vorteil für heutige Bauherren. Waren die Zinssätze in den 1970er-Jahren noch in einem Bereich von 9 Prozent, sind diese derzeit auf weniger als 4 Prozent gesunken. Der Zinsaufwand ist demnach gesunken.
In der Gesamtbetrachtung fallen die Kostensteigerungen allerdings so hoch aus, dass der Bau eines Hauses heutzutage weniger erschwinglich ist. Haushalte müssen wesentlich länger sparen, um das geforderte Eigenkapital aufzubringen und die Kostensteigerungen abzufangen. Zwar sei die Finanzierung günstiger, doch stünden die Mehrkosten in keinem Verhältnis dazu.
Dies führt dazu, dass der Bau des Eigenheims für den durchschnittlichen Haushalt kaum mehr zu realisieren sei. Wer nicht über ein großzügiges Einkommen verfüge und gewillt sei, dennoch bis zu einem Jahrzehnt sparsam zu leben, könne den Hausbau kaum vollziehen. Die Voraussetzungen sind dementsprechend deutlich andere als noch in den 1970er Jahren, in denen Immobilie weniger komplex und günstiger fertigzustellen waren.
Sebastian Jacobitz, www.wohnora.de