Marktkommentar von Dina Ting, Leiterin des Global Index Portfolio Management Teams bei Franklin Templeton
Inhalt
Die Schlagzeilen über die Liquidation von Evergrande, einem der größten Immobilienentwickler Chinas, werfen Fragen über die wirtschaftliche Situation im Reich der Mitte auf. China ist ein Markt im Umbruch, und auch andere Schwellenländer stehen an einem Wendepunkt.
China nicht mehr Produktionsstätte der Welt
Untersuchungen haben ergeben, dass China bei mehr als 400 Produkten – von wichtigen Rohstoffen bis hin zu Luxusgütern – zu 40 % von den USA und ihren Verbündeten abhängig ist. Doch diese Zeiten sind nun vorbei. China wird zunehmend auf sein eigenes Wachstumspotenzial setzen müssen.
Trotz nachteiliger, alternder Demografie ist die Bevölkerungszahl riesig, und die heimische Nachfrage wächst dank des zunehmenden Wohlstands. China agiert nicht mehr ausschließlich als Produktionsstätte der Welt, sondern setzt vielmehr auf Innovation und verstärkte Zusammenarbeit mit regionalen Nachbarn und dem Nahen Osten sowie Partnern in Lateinamerika. Die Aussichten für das kommende Jahr sind vielversprechend, aber es ist wohl noch zu früh, um ein Nachlassen des wirtschaftlichen Drucks zu erkennen. Die chinesischen Behörden bieten gezielte Anreize, um sowohl die Wirtschaft als auch die Märkte anzukurbeln. Allerdings müssen die chinesischen Konsumenten mitziehen. Vorsicht ist bei breit angelegten Anreizen geboten, die das Risiko von Blasen beinhalten könnten.
Taiwan als Motor für neue Technologiewellen
Ungeachtet der geopolitischen Risiken bleibt auch Taiwan ein vielversprechender Markt. Die Halbleiterindustrie ist weltweit stark positioniert. Taiwan wird als Motor für neue Technologiewellen genutzt. Es ist unwahrscheinlich, dass Europa und die USA in absehbarer Zeit bei der Herstellung von Chips aufholen können.
Indien spielt langfristig eine wichtige Rolle innerhalb der Schwellenländer. Die starke demografische Entwicklung, die politischen Reformen und das wachsende Bruttoinlandsprodukt sind nur einige Gründe, auf den indischen Markt zu setzen. Das Land entwickelt sich auch immer mehr zu einem Zentrum des verarbeitenden Gewerbes, der Einkaufsmanagerindex der Industrie führt seit geraumer Zeit die globale Rangliste an. Premier Modis Politik hat ausländische Unternehmen angelockt, darunter Branchengrößen wie Microsoft, Toyota und Samsung. Der Ausbau des Kapitalmarktes in Indien wird als vielversprechender Faktor für zukünftige Investitionen betrachtet.
Indische Infrastruktur soll aufgewertet werden
Hervorzuheben sind auch die Bestrebungen, die indische Infrastruktur aufzuwerten, wobei erhebliche Investitionen zur Verbesserung der Verkehrseinrichtungen vorgesehen sind. Laut einem aktuellen Bericht von S&P Global Market Intelligence rangiert Indien derzeit mit einem Wirtschaftsvolumen von 3,7 Billionen Dollar (2023-24) an fünfter Stelle, und es wird erwartet, dass sich dieser Rang bis 2030 noch erhöht, so dass Indien dann hinter Japan und Deutschland die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sein wird. Es ist mit einem weiteren Anstieg der Bewertungen indischer Unternehmen zu rechnen, da die Expansion der Kapitalmärkte als ein unterstützender Faktor für diese Entwicklung angesehen wird.
Sektoren mit großem Wachstumspotenzial in Indien sind zyklische Konsumgüter, Technologie und Finanztitel. Interessant ist in Indien insbesondere auch die Kombination von Technologie und Banking.
Die geopolitische Skepsis gegenüber einem Engagement in China hat die Chancen für Indien erhöht. Dies hat zu einem steigenden Interesse institutioneller Anleger an Indien geführt, da das Land auch in Aktienbenchmarks an Gewicht gewinnt. Auch wenn die Märkte vor den bevorstehenden 18. Parlamentswahlen in Indien volatil sein könnten, liegt die Bharatiya Janata Party von Premierminister Narendra Modi in den Meinungsumfragen vorn, was den Weg für eine dritte Amtszeit Modis ebnen dürfte. Der Wahlausgang sollte die optimistischen Aussichten für das Land nicht trüben.