Was wird aus den Stasi-Akten?

von , 24.01.2021, 18:38 Uhr

Noch in diesem Jahr wird die „Stasi-Unterlagen-Behörde“ ihre Türen schließen. Die Dokumente der früheren „DDR-Staatssicherheit“ werden dann in die Obhut des Bundesarchivs übergehen.

Das Amt des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen wird abgeschafft und die rund 1300 Beschäftigten sollen vom Bundesarchiv übernommen werden. Dies alles kommt nicht plötzlich, denn bereits im Jahr 2014 hatte der Deutsche Bundestag eine Expertenkommission gebildet, die Vorschläge für die weitere Zukunft dieser Behörde erarbeiten sollte. Ende September 2019 entschied dann der Bundestag, daß die Akten in das Bundesarchiv überführt werden sollen.

3,4 Millionen Anträge auf Akteneinsicht

Gemeinsam mit weiteren „DDR“-Akten soll dann auf dem Gelände der früheren Stasi-Zentrale ein „Archivzentrum zur SED-Diktatur“ eingerichtet werden. Seit 1992 war eine Einsichtnahme in die eigenen Stasi-Unterlagen grundsätzlich möglich. Allein im ersten Jahr stellten mehr als 500 000 mutmaßliche Opfer Anträge auf Akteneinsicht, bis jetzt waren es ca. 3,4 Millionen. Und noch längst nicht konnten alle seinerzeit sichergestellten Dokumente ausgewertet werden – in den Lagern befinden sich beispielsweise noch rund 15 000 Säcke mit zerrissenen Papieren, die mit Hilfe moderner Technik zu einem großen Teil durchaus noch reproduziert werden könnten. Bezüglich der nun beschlossenen Überführung der Akten in das Bundesarchiv scheiden sich die Geister.

Gegenüber der „Berliner Zeitung“ vermutete der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, daß man damit den Gegnern einer kompromißlosen Aufarbeitung „eine Freude“ machen würde. Anders sieht dies z.B. die Journalistin Gaby Weber: „Ich begrüße die Auflösung der Stasi-Behörde, die sich zu keinem Zeitpunkt an den Bedürfnissen der Betroffenen (Opfer) und der Forscher orientiert hat.“ Schließlich habe die Bearbeitung der meisten Anträge Jahre gedauert und man habe schließlich nur genauestens überprüfte Dokumente freigegeben:

Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk: "Freie Forschung ist etwas anderes."

„Laut Gesetz wurden alle Dokumente, die dem ‚Wohl des Bundes‘ schaden könnten, nicht herausgegeben. Freie Forschung ist etwas anderes.“ Mit der Zurückhaltung von Akten, die eigentlich zur Einsicht freigegeben werden sollten, hat die Journalistin bereits Erfahrung. In ihrem Film „Ewig geheim – Kollateralbelastung Demokratie“ berichtete sie z.B. über Akten des Bundeskanzleramtes und des Bundesnachrichtendienstes, deren eigentlich vorgesehene Freigabe nach maximal 60 Jahren mit einer späteren Einstufung als „Geheimsache“ verhindert wurde. Wenngleich auch Weber die Übergabe der Stasi-Akten an das Bundesarchiv für naheliegend hält, verweist sie doch voller Sorge auf die daraus erwachsenden, zusätzlichen Einflußmöglichkeiten der Politik.

Bundesarchiv = verlängerter Arm des Bundeskanzleramtes?

Das Bundesarchiv unterstehe schließlich dem Bundesbeauftragten für die Medien, der wiederum dem Bundeskanzleramt untersteht. Das Archiv dürfe deshalb getrost als verlängerter Arm des Bundeskanzleramtes verstanden werden. Weber bedauert es deshalb persönlich sehr, daß man die bevorstehende Übergabe der Akten nicht zum Anlaß nahm, das Bundesarchiv in eine grundsätzlich unabhängige öffentlich-rechtliche Behörde umzuwandeln, wo dann über die Freigabe von Akten nach wissenschaftlichen und demokratischen Grundsätzen entschieden werden könnte und nicht – wie im Kanzleramt – anhand der Interessen der dort jeweils herrschenden Parteien. (tb)


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