Brexit: Massenexodus der Polen nach Europa?

von , 19.10.2019, 19:32 Uhr

Sollte Großbritannien in etwa zwei Wochen tatsächlich die Europäische Union „ungeregelt“ verlassen, kämen nicht nur auf die Wirtschaft einige „Umstellungen“ zu, sondern auch auf aus anderen europäischen Staaten stammende Arbeitnehmer, die auf der Insel arbeiten.

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Polnischer Botschafter ruft Polen zur Rückkehr auf

Viele davon kommen aus Polen und der polnische Botschafter in London, Arkady Rzegocki, forderte seine Landsleute bereits dazu auf, vorsorglich nach Hause zurückzukehren. Diese Aufforderung ist zwar nicht die erste ihrer Art, aber von besonderer Deutlichkeit. Politisch ist dieser Botschafter-Appell von einiger Brisanz. Als in Polen die „Partei für Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) im Jahr 2015 die Macht übernahm, ging damit nämlich eine deutliche Kurskorrektur der von der früheren liberalen Regierung verfolgten polnischen Außenpolitik einher, die von einer Abwendung von Deutschland und einer verstärkten Zuwendung nach Großbritannien gekennzeichnet war.

Europa vor spürbaren Wanderungsbewegungen

Die Popularität Großbritanniens als Ziel für polnische Auswanderer nahm dabei zunächst weiter zu, bis es im Vorfeld des Brexit zu einigen anti-polnischen Ausschreitungen kam. Seit Großbritannien zeitgleich mit dem EU-Beitritt Polens im Jahr 2004 seinen Arbeitsmarkt für polnische Staatsbürger öffnete (für Deutschland gilt dies erst seit 2007), machten sich zahlreiche Polen nach Großbritannien auf, von denen nach offiziellen Zählungen aktuell noch rund eine Million dort leben. Sie stellen damit unter den Angehörigen östlicher EU-Staaten die größte Gruppe dar, gefolgt von Rumänen und Bulgaren. Zwar sollen auch nach dem Brexit EU-Bürger grundsätzlich dann in Großbritannien verbleiben können, wenn sie einen sogenannten „Siedlungsstatus“ für ihren weiteren Aufenthalt beantragen. Von den offiziell in Großbritannien lebenden Polen hat dies aber bisher nur rund ein Viertel getan. Sollten nun drei Viertel die Insel verlassen müssen, würde dies zu einer in Europa deutlich spürbaren Wanderungsbewegung führen.

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Deutschland als bevorzugtes Ziel

Dabei dürfte sich Deutschland als potentielles Ziel erweisen, weil es dort bereits eine erhebliche polnische Minderheit gibt, die vielerorts sogar über eine eigene Struktur in Form von Geschäften, Klubs und Vereinen verfügt. Eine Wanderungsbewegung nach Deutschland dürfte es vor allem unter den eher gering qualifizierten polnischen Staatsangehörigen geben, vermutete bereits ein Sprecher des in Darmstadt ansässigen Deutschen Polen-Instituts. Mit qualifizierten Aufgaben betraute polnische Arbeitskräfte würden dagegen eher in Großbritannien bleiben wollen. (tb)


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